Interview Dr. Elmar Mand

Skonto nur mit Gegenleistung Alexander Müller, 10.11.2014 10:20 Uhr

Berlin - 

Seit dem Frühjahr haben die Großhändler ihre Konditionen zurückgefahren. Mit Leistungs- und Servicebeiträgen wurden die Apotheker zur Kasse gebeten. Als nächstes wollen die Großhändler beim Skonto den Rotstift ansetzen. Rückendeckung für die drohende Konditionenkürzung bekommen sie jetzt von Dr. Elmar Mand. Im Interview erklärt der Arzneimittelrechtsexperte, warum Skonti von mehr als 1 Prozent aus seiner Sicht problematisch sind und wann Rabatte gegen das Arzneimittelpreisrecht verstoßen.

ADHOC: Viele Großhändler gewähren Apotheken im Einkauf Rabatt und Skonto. Was ist daran problematisch?
MAND: Im Gegensatz zu anderen Produkten hat der Gesetzgeber bei den meisten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Abgabepreise von pharmazeutischen Unternehmen (ApU), Großhändlern und Apotheken reguliert. Das im Arzneimittelgesetz (AMG) und in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) normierte Preisrecht fixiert die Margen von Großhändlern und Apotheken sehr weitgehend. Lediglich die prozentualen Großhandelsaufschläge von 3,15 Prozent auf den ApU können für Rabatte, Bonifikationen oder sonstige Formen der Wertreklame genutzt werden. Weitergehende geldwerte Vorteile des Großhandels an Apotheken sind dagegen gesetzlich untersagt.

ADHOC: Was hat das mit Skonti zu tun?
MAND: Echte Skonti, die eine vorfällige Zahlung des Kaufpreises angemessen abgelten, sind nicht als Preisnachlass zu werten. In solchen Fällen stellt der Skonto eine Gegenleistung für eine vertraglich nicht geschuldete Leistung der Apotheken dar. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bleibt – anders als bei einem Rabatt – trotz der Skontogewährung gleich.

ADHOC:Was ist angemessen?
MAND: Maßstab für die Höhe echter Skonti ist das Äquivalenzprinzip. Ein echter Skonto muss also dem Wert der vorfälligen Zahlung durch den Käufer entsprechen. Entscheidend ist demnach, in welchem Umfang die Apotheke das noch als angemessen anzusehende Zahlungsziel von vier Wochen unterschreitet.

ADHOC: Gibt es dabei eine Obergrenze?
MAND: Der Marktwert der vorfälligen Zahlung wird insbesondere durch die Kosten des Kapitals bestimmt, das bei einem Verzicht auf sofortige Zahlung bereitzustellen ist. Ist Kapital, wie derzeit, aufgrund extrem niedriger Zinsen sehr billig, schränkt dies die Spielräume für die Skontogewährung substanziell ein. Skonti von mehr als 1 Prozent erscheinen momentan schwer begründbar.

ADHOC: Was sind „unechte“ Skonti?
MAND: Preisnachlässe oder sonstige Vergünstigungen, welche lediglich die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags honorieren. Unechte Skonti sollen einen positiven Anreiz zu weiteren Käufen und zu ihrer umgehenden Bezahlung geben. Sie verändern damit ebenso wie Rabatte das Äquivalenzverhältnis: Der Käufer erhält einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil. Der Spielraum hierfür ist auf die allgemeinen Grenzen für Preisnachlässe begrenzt. Unechte Skonti sind also zusammen mit allen weiteren Vergünstigungen insgesamt nur in Höhe der prozentualen Großhandelsaufschläge zulässig.

ADHOC: Welche Hürden gibt es für typische Funktionsrabatte?
MAND: Unter Funktionsrabatten versteht man Rabatte für „besondere Aufgaben“ des Groß- oder Einzelhandels, angefangen von Abreden über Art und Umfang der Lagerhaltung über die Valutagewährung bis hin zur Regelung von Retouren oder eines Lagerwertverlustausgleichs. Wie Skonti werden auch Funktionsrabatte im eigenen absatzpolitischen Interesse der Veräußerers gewährt, etwa als Anreiz für eine Ausweitung oder Bündelung von Bestellungen. Ob Funktionsrabatte jenseits der gesetzlichen Spielräume für einen Preiswettbewerb zulässig sind, hängt davon ab, ob sie eine Leistung des Käufers adäquat abgelten, die über die gesetzlich vorgegebenen und vertraglich konkretisierten Leistungspflichten hinausgehen.

ADHOC: Was wäre denn so eine Leistung?
MAND: Apotheken dürfen keinen über den prozentualen Großhandelszuschlag hinausgehenden Rabatt erhalten, nur weil sie große Arzneimittelmengen bestellen. Dasselbe gilt für den Verzicht auf eine mehrfache Belieferung durch den Großhandel pro Tag. Denn nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) haben Apotheken ohnehin eine ausreichende Menge der benötigten Arzneimittel vorrätig zu halten. Eine mit den gesetzlichen Anforderungen in Konflikt stehende Discount-Qualität des Großhändlers mit wirtschaftlichen Vorteilen zu kompensieren, ist typischer Ausdruck verbotenen Preiswettbewerbs.

ADHOC: Dürfen Apotheker ihre Verkaufsdaten anonymisiert verkaufen?
MAND: Die Anonymisierung der Abverkaufsdaten muss umfassend sein, um dem Datenschutzrecht zu genügen. Das Interesse des Großhandels an derart anonymisierten Daten dürfte aufgrund der eigenen Informationen infolge der Belieferung der Apotheke begrenzt sein. Anders sieht dies im Verhältnis von Apotheken zum Hersteller und vor allem im Verhältnis des Großhandels zum Hersteller aus. Der Verkauf entsprechender Daten und die Aufrechnung mit Forderung aus Arzneimittellieferungen bleiben in solchen Fällen möglich.

ADHOC: Was ist mit Rückvergütungen der Großhändler?
MAND: Apotheken erhalten häufig neben Barrabatten für einzelne Arzneimittel auch Quartals- oder Jahresboni in Abhängigkeit vom Gesamtumsatz. Alle gewährten Vorteile im Rx-Geschäft zusammen dürfen nicht dazu führen, dass der Mindestwert aus der Summe der Festpreise unterschritten wird. Ist dies der Fall, verletzt die Konditionengestaltung das Preisrecht. Zulässig ist es allerdings, zusätzliche Vergütungen für nicht geschuldete Leistungen der Apotheken, etwa in Form echter Skonti, gesondert zu verrechnen.

ADHOC: Drohen Apotheken „Rabatt-Sanktionen“?
MAND: Im Arzneimittelgesetz gibt es keinen eigenen Tatbestand für Verletzungen des Preisrechts. Allerdings können Mitwerber und klagebefugte Verbände sowohl Großhändler, direkt vertreibende Hersteller als auch Apotheken wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Mitbewerber können zudem Schadensersatz fordern. Bei produktbezogener Werbung verstoßen unzulässige Preisvorteile auch gegen das Heilmittelwerberecht. Es drohen dann zusätzlich Bußgelder für die Vorteilsgewährenden und –annehmenden; die unzulässigen Vorteile können eingezogen werden. Weiterhin verletzen Verstöße gegen das Preisrecht regelmäßig die Berufsordnungen für Apotheker. Auch die Sanktionen aus dem Sozialrecht durch die Krankenkassen sind denkbar. Sobald der geplante, neue Antikorruptionsparagraph im Strafgesetzbuch verabschiedet worden ist, kommt möglicherweise noch eine Strafbarkeit in Betracht.

ADHOC: Wer will das Rabattgeschäft denn kontrollieren?
MAND: Die Vertragsverhandlungen zwischen Großhändlern und Apotheken sind in der Regel vertraulich. Sollten dennoch unzulässige Angebote der Großhändler bekannt werden, können die Kammern oder Apothekerverbände allerdings einschreiten. Ein direktes, auch berufsrechtliches Einschreiten ist gegenüber Apothekern und vor allem gegenüber Einkaufskooperationen von Apothekern möglich, die unzulässige Vorteile annehmen oder auch nur fordern. Denn das Fordern solcher Vorteile stellt eine Anstiftung zum Rechtbruch dar.

ADHOC: Gibt es bekannte Fälle, bei denen wegen der Einkaufskonditionen der Apotheken eingeschritten wurde?
MAND: Bisher halten sich Aufsichtsbehörden und Kammern offenbar stark zurück. Mir sind jedenfalls keine Fälle bekannt. Fehlende Informationen über die Vertragsgestaltung dürften wohl der Hauptgrund sein. Allerdings zeigen sich Krankenkassen überaus aggressiv, sofern sie aus anderem Anlass Zugang zu den Einkaufsdaten der Apotheken erlangen und dabei unzulässige Preisvorteile feststellen: Meines Erachtens rechtswidrige, aber juristisch schwer angreifbare Retaxationen sind in solchen Fällen ebenso üblich wie eine Weitergabe der Daten an die Staatsanwaltschaften. Die Staatsanwaltschaften leiten dann in der Regel Strafverfahren wegen Betrugs ein – und künftig sicher auch wegen Verletzung des geplanten Korruptionsstraftatbestands.

ADHOC: Inwiefern erwarten Sie Veränderung der derzeit gängigen Praxis?
MAND: Die Gewährung unzulässiger Vorteile an meist umsatzstarke Apotheken und Apothekenverbünde ist vielen Großhändlern aber auch kleineren Apotheken ein Dorn im Auge. Inwieweit es deshalb zu Prozessen kommt, lässt sich schwer prognostizieren. Der zunehmende Wettbewerb und die „Rabattschlacht“ der Großhändler lässt die Wahrscheinlichkeit dafür sicher ansteigen. Das Einschreiten gegen exzessive Rabatte sollte sogar im allseitigen Interesse liegen, anderenfalls könnte der Gesetzgeber irgendwann mit neuen Einschnitten im Arzneimittelpreisrecht reagieren.

ADHOC: Was war der Anlass für Ihr Gutachten?
MAND: Anlass der juristischen Aufarbeitung sind Gerichtsurteile und namhafte Stimmen in der Literatur, die Skonti ohne jede Differenzierung lediglich in den Grenzen der disponiblen prozentualen Großhandelsaufschläge gemäß § 2 AMPreisV für zulässig erklärt haben.

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