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Hiergeblieben, Freundchen! Alexander Müller, 11.02.2017 07:01 Uhr

Berlin - 

In einer Apotheke in Kaffdorf ist es zu einem gewalttätigen Übergriff gekommen. Laut Polizeibericht wurde der 42-jährige Inhaber Michael H. gestern Abend beim Verlassen seiner Apotheke von vier ortsansässigen Rentnern angegriffen. Offenbar handelte es sich um ein Missverständnis: Die älteren Herrschaften waren in Sorge, H. würde die Apotheke aufgeben und wegziehen.

Das hatte H. tatsächlich vor einigen Jahren vor. Nachdem der Arzt von Kaffdorf in Rente gegangen war, hatte auch die Apotheke Probleme bekommen. Obwohl H. sich wohlfühlte, wollte er weg – doch die Kaffdörfer ließen ihn nicht. Sie standen mit Tränen in den Augen in der Offizin, brachten Geschenkkörbe und schrieben einen Brief an den Gemeinderat. Sie griffen aber auch zu radikaleren Mitteln: Der schon bestellte Umzugswagen musste hinter der eilig aus Strohballen und Holzlatten errichteten Straßensperre leer die Rückfahrt antreten.

Apotheker H. war gerührt und blieb. Aber nach einer vierwöchigen orthomolekularen Diät war ihm klar, dass er von der Apotheke allein nicht leben kann. Ein Arzt für den Ort war jedoch nicht aufzutreiben. Zusammen mit dem Ortsvorsteher fand er schließlich die Lösung: Er wurde selbst Landarzt, per Sonderdekret. Er untersuchte und verordnete, ging nach nebenan, beriet und dispensierte.

Weil er damit ohnehin jeden Dorfbewohner regelmäßig sah, übernahm der Apotheker auch das Postamt. Frankieren, stempeln, notfalls mal ein Konto eröffnen – anstrengend zwischen HV und Rezeptur, aber machbar. Es wäre perfekt gewesen, hätte nicht der Metzger von Kaffdorf auch noch dicht gemacht. H. ließ sich bequatschen und verkauft zwischen Vichy und Eucerin seitdem Mettwurst und Schweinelendchen. Immerhin hat er erreicht, dass „Dorfapotheker“ als eigenständige Berufsbezeichnung anerkannt wurde, der entsprechende Studiengang wird aber noch ausgearbeitet.

Kaffdorf gibt es nicht, Enzklösterle schon. Da sucht Apothekerin Barbara Zeitbös tatsächlich händeringend einen Nachfolger für die Praxis. Ende März läuft das sogenannte Witwenquartal aus, bis dahin muss sich ein Arzt finden. Die Bedingungen sind aus Sicht der Apothekerin perfekt, gerade für eine junge Arztfamilie.

Eine Geschäftsidee gegen die Landflucht hat Patiodoc. Wenn die Ärzte das unternehmerische Risiko scheuen, sollen sie eben nur noch Ärzte sein. Das Risiko übernimmt Patiodoc, die Gewinne ebenfalls. Ob sich das Modell in der Praxis und in der Praxis durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Falls ja, würde es das Verhältnis von Landarzt zu Landapotheker nachhaltig verändern.

Die beiden Berufsstände auseinander zu halten, ist rechtlich sowieso nicht ganz einfach. Zwar hat der Gesetzgeber Apothekern verboten, selbst MVZ zu betreiben, dabei aber eine Lücke übersehen: Bereits von Apothekern betriebene MVZ genießen Bestandsschutz und dürfen laut einem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) selbst wieder MVZ öffnen. Und so weiter. Und so weiter. Dafür sind angestellte Ärzte Spitzenverdiener.

Die Schicksale der Apotheker dagegen sind sehr unterschiedlich: Die einen folgen der klaren Prämisse, mit ihren Kunden gar nicht erst über den Preis zu diskutieren, die anderen müssen Muttis Apotheke zunächst einmal kernsanieren. Und wieder andere machen gar nichts mehr, sondern haben den Ärztewegzug tatsächlich nicht überstanden und werden nun abgewickelt. Ob die von der Regierung beauftragte Unternehmensberatung 2hm diese Vielfalt mit ihrer Befragung wird abbilden können? Man wird es sehen.

Unmittelbares Feedback hat zuletzt DocMorris bekommen. Und wie das so ist, oft werden nur die Unzufriedenen laut. Die Ersatzkassen wissen das richtig einzuordnen und sind trotz Facebook-Gemecker für eine Partnerschaft bereit: Sie möchten mit den Versendern Verträge über deren Boni schließen. Da wäre Gröhes Rx-Versandverbot natürlich im Weg. Die kleinste Fraktion im Bundestag stellt zu den Regierungsplänen ebenfalls kritisch gemeinte Nachfragen und erkundigt sich wie beiläufig über das Fremdbesitzverbot. Ein immer noch merkwürdiger Grünton.

Klassisch in rot-blau gehalten ist dagegen das neue Stada-Logo. Und endlich ist nun auch die Firmenzentrale damit geschmückt. Auch mit dem schönsten Logo kann in der Werbung nichts gewinnen, wer auf das falsche Maskottchen setzt. Die Firma MediaAnalyzer hat herausgefunden: Mensch schlägt Maskottchen.

Und Ausschluss schlägt Rabatt: Denn auf ohnehin knappe Ware können die Großhändler natürlich keine Preisnachlässe gewähren. Welche Artikel kontingentiert sind, kann aber von Haus zu Haus unterschiedlich sein, was bestehende Verdachtsmomente gegen diese moderne Kürzungswelle erhärtet.

Und in die andere Richtung? Wie lange muss die Kasse eigentlich eingereichte Rezepte bezahlen? Kann aber retaxiert werden, wird an schlechten Tagen auch um einen Cent gekürzt. Tipp: Korrektur-Etikett statt Tipp-Ex. Weniger Ärger gibt es künftig mit fehlenden Preisen im Schaufenster. Der BGH hat nämlich entschieden, dass der Verbraucher auch drinnen fragen kann, was die Ware kostet.

Eine Frage an Sie zum Schluss: Wenn Sie die Forschungsinitiative für Cannabiskonsum wären und auf der Suche nach Probanden für eine Studie, würden Sie sich dann auch die E-Mailadresse [email protected] einrichten? Kann das Gekicher dahinten mal aufhören? Schönes Wochenende!