Notdienst

Apotheker hängt in der Arzt-Warteschleife Eugenie Ankowitsch, 19.03.2018 15:17 Uhr

Berlin - 

Es wird viel darüber gesprochen, dass die Kommunikation zwischen den Gesundheitsberufen sich verbessern muss. Doch die Praxis sieht oft anders aus. So hing Apotheker Michael Jilek während eines Notdienstes eine geschlagene Stunde lang in der Warteschleife der Ärzterufzentrale, um die offensichtlich falsche Dosierung auf einem Rezept mit der verordnenden Ärztin absprechen zu können.

Es ist Freitag, 20.30 Uhr. Die Apotheke Büderich im nordrhein-westfälischen Wesel hat Notdienst. Business as usual, heißt es zunächst für das Apothekenpersonal. Doch dann kommt ein Mann in die Apotheke und möchte ein Rezept für seine Tochter einlösen. Bei dem behinderten Mädchen besteht die Gefahr einer Bauchthrombose. Die diensthabende Ärztin hat daher Clexane-Spritzen verordnet.

Nur: Die Dosierung auf dem Rezept gibt es gar nicht. „0,1 ml standen darauf“, berichtet Jilek, der die Apotheke Büderich führt. In solchen Fällen sei der Apotheker verpflichtet, die nächstschwächere Dosierung abzugeben. „Bei einer Thrombosegefahr ist aber die genaue Dosierung entscheidend. Alles andere wäre schlicht zu gefährlich“, so der Apotheker. Er tut das einzig Richtige und will die Dosierung direkt mit der verordnenden Ärztin absprechen.

Doch das erweist sich als schwierig. „Wir können die diensthabenden Ärzte leider nicht direkt erreichen, sondern müssen – wie auch die Patienten – die 116117, die Notdienstnummer der Ärzte, anrufen“, erläutert der Apotheker. Unglaubliche 60 Minuten hängt der Apotheker in der Warteschleife der Ärzterufzentrale in Duisburg. Der Vater des Mädchens muss währenddessen in seinem Auto warten. Denn aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Mitarbeiterinnen werden in der Apotheke Büderich ab 20 Uhr die Medikamente ausschließlich über die Notdienstanlage ausgegeben.

„Doch auch nach dieser Zeit hatten wir nicht etwa die Ärztin dran, sondern eine Call-Center-Mitarbeiterin, der wir erst einmal unsere dringende Rückfrage mitteilten“, berichtet Jilek. Diese verspricht, die Ärztin zu benachrichtigen. Eine weitere Viertelstunde später hat der Apotheker endlich die Ärztin am Telefon. Beim Gespräch stellt sich heraus, dass sie eigentlich 1ml-Clexane-Spritzen verordnen wollte.

„Was ist das denn für ein System?“, fragt sich aber nun der Apotheker. „Bei den Apotheken wird ein Jahr im Voraus der Notdienst festgelegt und steht dann auch. Außerdem sind wir für jeden jederzeit erreichbar.“ Er hat zwar Verständnis dafür, dass die Ärzte mit einer zentralen Rufnummer ihr System flexibler gestalten wollen. „Dann aber bitte mit einer Personalausstattung, die unserer Zeit entspricht“, fordert er. „Abgesehen von den Patienten, die schnelle Information über einen Notdienst-Arzt brauchen, benötigen auch wir Apotheker einen schnellen und direkten Kontakt zu den Ärzten.“

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) bedauerte zwar auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC die geschilderte Ereignisse. Man könne aber solche Schilderung aus der Distanz nicht adäquat bewerten, teilte ein KV-Sprecher mit. Nur so viel: Mit Blick auf die Anrufbearbeitungen im Jahresverlauf werde ein Anruf normalerweise innerhalb von 30 Sekunden angenommen.

Im Durchschnitt kommen an normalen Wochentagen seinen Angaben zufolge etwa 1000 Anrufe aus ganz NRW in der Duisburger Arztrufzentrale an, an Wochenenden seien es pro Tag etwa 6000. Insgesamt nehmen die Mitarbeiter rund eine Million Anrufe pro Jahr entgegen. Das größte Anrufaufkommen gebe es an Samstag- und Sonntagvormittagen. Zu diesen Spitzenzeiten seien Wartezeiten am Telefon unvermeidlich, so der KV-Sprecher. Zusätzlich zu dieser enorm großen Zahl an Anrufern sorgt derzeit die grassierende Grippe- und Erkältungswelle im Rheinland für eine deutlich erhöhte Inanspruchnahme der „116117“ und damit zu deutlich mehr Anrufern.

Da in den vergangenen Wochen auch Mitarbeiter der Arztnotrufzentrale selbst von der Grippewelle betroffen wären, sei nicht durchgehend das gesamte Team, das nach Angaben der KVN rund 160 Mitarbeiter zählt, einsatzbereit. „In Summe haben diese Faktoren dazu beigetragen, dass sich die Zeiten in der Warteschleife an manchen Tagen über das normale Maß hinaus verlängert haben“, so der KV-Sprecher.