Bionorica

Der Cannabis-Pate Nadine Tröbitscher, 04.03.2017 08:38 Uhr

Düsseldorf - 

Ärzte können ihren Patienten künftig Cannabis auf Rezept verschreiben. Verordnungs- und erstattungsfähig sind Dronabinol, der Extrakt und die Blüten. Bionorica ist der führende Anbieter der natürlich und synthetisch hergestellten Rezeptursubstanzen – und distanziert sich vom Einsatz der Blüten. Rauchen oder Inhalieren kämen aus pharmakologischen Gründen nicht in Frage.

Firmenchef Professor Dr. Michael Popp hält an seiner Meinung fest, Blüten werde man nicht anbieten. Dass an Krebs erkrankte Patienten mit einem Rollstuhl vor das Krankenhaus gefahren werden, um einen Joint zu rauchen, kann und will er sich nicht vorstellen. Eine größere Gefahr sieht er jedoch in der Pharmakokinetik: Blüten seien keine Alternative zu Dronabinol. Sie seien schlecht dosierbar und hätten ein hohes Missbrauchspotential. Zudem gebe es Gesundheitsgefahren beim Rauchen oder Inhalieren.

Die Wirkung würde beim Rauchen zu schnell anfluten und nur von kurzer Dauer sein. Zudem hätten die Patienten mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen: Das Führen von Maschinen sei beispielsweise nicht möglich. Dronabinol oder der Extrakt seien hingegen gut zu dosieren und Patienten könnten sehr genau eingestellt werden. Besonders wichtig sei es, das Arzneimittel einzuschleichen und somit die individuelle Dosierung zu erreichen. Einzig die Appetitsteigerung bleibe nicht aus, Patienten würden an Gewicht zunehmen. Dieser Effekt könnte jedoch bei älteren Menschen positiv sein.

Zudem befürchtet Popp mögliche chemische und mikrobiologische Verunreinigungen der Blüten. Schwankende Konzentrationen der Cannabinoide könnten keine Therapiesicherheit erzeugen. Popp kritisiert ebenso die non-GMP-Ware aus Kanada, die derzeit im Umlauf ist.

Popp hält seit 2002 an Cannabisprodukten fest; über viele Jahre fuhr er damit hohe Verluste ein. Jetzt könnte sich sein Durchhaltevermögen auszahlen. Hat das Unternehmen doch erst 2014 seinen insolventen Mitbewerber THC Pharma aus Frankfurt übernommen. Aus Hessen stammen seitdem die synthetischen Produkte, die natürlichen kommen jedoch aus Neumarkt. Popp hat sich ein kleines Hanfmonopol aufgebaut. Konkurrenz ist keine in Sicht – einzig der Vertrieb der Blüten. Popp hofft, dass die Ärzte zu den standardisierten Präparaten greifen und Bionorica etwa die Hälfte der Patienten versorgen kann. Möglich sei eine Entwicklung wie in Kanada; hier verzeichnete man anfangs einen Hype der Blüten, dieser flaute jedoch ab und es wurde auf standardisierte Extrakte zurückgegriffen.

Derzeit sind laut Popp etwa 800.000 Patienten nicht ausreichend therapiert und könnten vom Einsatz der Cannabispräparate profitieren. Dennoch könne man die Zahl der Patienten nicht genau beziffern, die tatsächlich mit Cannabisarzneimitteln behandelt werden könnten. Man könne höchste Qualität liefern und stehe Gewehr bei Fuß, verspricht Popp.

Der Anbau des Medizinalhanfs für die Bionorica-Produkte findet in Österreich statt, eine Verlagerung nach Deutschland sei fraglich und die Anforderungen noch unbekannt. Zudem sei der Anbau in Österreich etabliert; weitere Kapazitäten bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) seien vorhanden.