Umschulung in Teilzeit

„Ein Leben ohne Beruf könnte ich mir nicht vorstellen“ Silvia Meixner, 06.12.2017 10:07 Uhr

Berlin - 

Azubi in Teilzeit, Kleinkind, alleinerziehend – Christina Decksheimer hat sich vor drei Jahren viel vorgenommen. Und ihr Ziel erreicht: Als ihre Tochter eingeschult wurde, beendete sie ihre PKA-Ausbildung.

„Das war genau so geplant“, sagt die 29-Jährige aus Giengen in Baden-Württemberg. Mama beendet die Schule, für Tochter Emily beginnt sie. Für Decksheimer und Apotheker Dr. Matthias Schneider aus der Engel-Apotheke war es ein Versuch mit ungewissem Ausgang: Würden beide durchhalten? Würde eine Ausbildung in Teilzeit überhaupt durchführbar sein? Die Idee stammte aus dem Heidenheimer Jobcenter: Die Ausbildung dauert mit drei Jahren genau so lange wie die herkömmliche, allerdings wird die Praxiszeit halbiert.

Schneider sagt: „Das Jobcenter kam auf uns zu und sagte, wir hätten da jemanden.“ Nach drei Jahren zieht er zufrieden Bilanz: „Christina ist eine engagierte junge Frau, die weiß, was sie will. Für beide Seiten war es eine klassische Win-Win-Situation. Es hat super geklappt, sie hat einen guten Abschluss gemacht und wir haben sie gleich übernommen.“ Vom Fleiß seiner Mitarbeiterin ist er beeindruckt: „Ein Teilzeit-Azubi macht drei Jahre nichts außer arbeiten und sich um die Familie kümmern.“

Der Apotheker bildet gerne aus: „Wir können nicht darauf warten, dass die gut ausgebildeten Mitarbeiter zu uns kommen. Wir müssen selbst gut ausbilden. Im PKA-Markt tummeln sich viele, wir wollen die Guten bei uns haben.“ In seinen vier Apotheken beschäftigt er 70 Mitarbeiter.

Mit ihrem Beruf ist die Giengenerin glücklich. „Ich hatte nach der Schule eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin angefangen und 2010 abgebrochen. 2011 wurde meine Tochter geboren. Ich wollte eigentlich immer meine Ausbildung fertigmachen.“ Die Arbeit in der Bäckerei war allerdings doch nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Ich hatte als Schülerin ein Praktikum in einer Apotheke gemacht, deshalb habe ich mich für den Beruf der PKA entschieden. Meine Mutter arbeitet im pharmazeutischen Großhandel, deswegen war die Branche mir nicht fremd“, erzählt sie.

So funktioniert die Ausbildung in Teilzeit: „Man ist vier Stunden täglich in der Apotheke, die Schule muss ein bis zweimal pro Woche in Vollzeit absolviert werden.“ Anfangs ging die Tochter in den Kindergarten, die Großeltern halfen bei der Kinderbetreuung mit. „Ein Leben ohne Beruf könnte ich mir nicht vorstellen. Ich wollte ein Vorbild für meine Tochter sein.“ Rückblickend glaubt sie, dass auch Emily von ihrer PKA-Ausbildung profitiert hat: „Sie wusste von Anfang an, dass ich arbeiten musste, dadurch ist sie sehr selbstständig geworden.“

Nicht immer lief alles rund, aber über allem stand stets, dass sie in der Apotheke sehr gut aufgenommen worden war und Probleme gemeinsam besprochen wurden. „Es war nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Es gab Höhen und Tiefen, aber bei jedem Tief habe ich mir gedacht, dass es nur eine Phase ist. Die Atmosphäre in der Apotheke ist sehr familiär, ich gehe gern zur Arbeit.“ Sie fügt hinzu: „Ich habe Glück gehabt. Am 1. August war ich mit der Ausbildung fertig und bin sofort übernommen worden.“

Auch Tochter Emily bekam oft mit, dass ihre Mutter viel arbeiten musste. „Sie hat mich gegen Ende der Ausbildung getröstet, dass ich nur noch ein bisschen lernen müsste und dann bald fertig sei würde. Und als ich fertig war, hat sie sich mit mir gefreut, dass ich nicht mehr in die Schule muss.“ Mit dem Schulbeginn sei die Belastung einfacher geworden: „Ich habe sehr gute Arbeitszeiten, arbeite derzeit Teilzeit und vormittags, damit ich die Nachmittage mit meiner Tochter verbringen kann.“

Weil alles so gut geklappt hat, findet das Projekt eine Fortsetzung. Der nächste Teilzeit-Azubi hat kürzlich seine Ausbildung begonnen. Schneider „engagierte“ Decksheimer gleich als Patin für die neue Teilzeit-Azubi. Ein Amt, das sie gerne übernommen hat. „Ich bin für unsere beiden Azubis die erste Ansprechpartnerin in allen Fragen. Eine macht eine Teilzeit-Ausbildung, die andere eine in Vollzeit.“ Ihr Ratschlag für andere, die ebenfalls eine Teilzeit-Ausbildung machen möchten: „Egal, wie schwer es ist, man muss einfach wetermachen. Man darf nicht aufhören, das ist das Allerwichtigste. Man muss sich sagen, morgen kommt ein neuer Tag, dann läuft es auch wieder ganz anders.“