Antwort an Michael Hennrich

Regierung: Erhebliche Bedenken gegen Rx-VV APOTHEKE ADHOC, 14.10.2019 14:46 Uhr

Berlin - 

Entgegen einigen Rechtsgutachten sieht die Bundesregierung so gut wie keine rechtlichen Möglichkeiten, dass im Koalitionsvertrag versprochene Verbot des Rx-Versandhandels umzusetzen. Stellvertretend für die Bundesregierung antwortete Sabine Weiss (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im BMG, auf eine entsprechende Anfrage des CDU-Arzneimittelexperten Michael Hennrich. Der wollte wissen, wie die Bundesregierung zur Aussage im Koalitionsvertrag tatsächlich steht.

„Welche europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründe leiten die Bundesregierung mit Blick auf die Formulierungen des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD dabei, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht zu verbieten?“, fragte Hennrich. Im Rahmen des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) seien alternative Regelungen mit dem Ziel der Stärkung der Apotheken vor Ort geprüft worden, antwortet die Bundesregierung. In diese Prüfung einbezogen worden sei auch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016.

Jetzt liegt die Antwort der Bundesregierung Schwarz auf Weiß vor: Maßnahmen, die einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker darstellten beziehungsweise aus europarechtlicher Sicht Maßnahmen gleicher Wirkung seien, müssten sowohl unter Gesichtspunkten des verfassungs- wie auch des Europarechts mit „hinreichenden, belegbaren Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt werden und zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sei“, so die Bundesregierung.

Und weiter: „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln würde aber gegenüber den im oben genannten Gesetzentwurf enthaltenen Festpreisregelungen einen wesentlich stärkeren Markteingriff darstellen, dessen Notwendigkeit gesondert dargelegt und begründet werden müsste. Dabei wäre besonders zu berücksichtigen, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln seit dem Jahr 2004 in Deutschland zulässig ist und bisher grundsätzlich keine Gefährdung der Gesundheitsversorgung bewirkt hat. Die Begründungslast wäre hierdurch erheblich erhöht. Zudem würde ein Verbot des Versandhandels die wirtschaftliche Existenz auch der in Deutschland zugelassenen Versandapotheken gefährden. Daher bestehen bei der gegebenen Sachlage im Hinblick auf ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel weiterhin erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken.“

Für Hennrich, zeitweise selbst ein Befürworter des Rx-Versandverbots, bringt die Antwort Klarheit in die zuvor unübersichtliche Gemengelage im Kabinett: Ihm sei es wichtig gewesen, in dieser Angelegenheit einmal die Bundesregierung als Ganzes zu befragen. Er habe den Eindruck gehabt, dass sich einige Ministerien in der Lösung des Versandhandelskonfliktes zuletzt einen schlanken Fuß gemacht hätten. Jetzt ist für Hennrich immerhin klar, dass das von Spahn vorgeschlagene Rx-Boni-Verbot im SGB V aus Sicht der Bundesregierung ein geringerer Eingriff wäre und damit rechtlich einfacher zu realisieren sei als das Rx-Versandverbot.

Unmittelbar vor dem zurückliegenden Deutschen Apothekertag in Düsseldorf hatte sich der Bundesrat nochmals für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen: Dass ein Versandverbot von der EU wieder kassiert würde, glaubt der Gesundheitsausschuss auch nicht. Weder die Berufsausübungsfreiheit noch der Gleichheitsgrundsatz stünden einem Verbot entgegen. Leben und Gesundheit von Menschen wiederum nähmen in der Werteordnung der EU und des Grundgesetzes den Rang von Höchstwerten ein. Die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung seien Angelegenheiten der Mitgliedstaaten. Dies umfasse auch die ordnungsgemäße flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Daraufhin hatte es in der Apothekerschaft eine hitzige Diskussion über die Rückkehr zur RxVV-Forderung gegeben. Spahn hatte der ABDA gedroht, dass VOASG fallen zu lassen und auf eine Initiative des Bundesrates zu setzen. Die DAT-Delegierten lenkten schließlich ein und sicherten Spahn in einem Adhoc-Antrag ihre Unterstützung zu: „Die Hauptversammlung der Deutschen Apotheker und Apothekerinnen spricht sich dafür aus, dass die Bundesregierung das VOASG schnellstmöglich in den Deutschen Bundestag einbringt. Die Apotheker werden das Gesetz im parlamentarischen Prozess konstruktiv und kritisch begleiten“, lautete der mündlich vorgetragene Antrag. Die große Mehrheit des DAT stimmte dem Antrag zu.