Pharmakonzerne

Bayer kürzt 12.000 Stellen, verkauft Marken APOTHEKE ADHOC, 29.11.2018 15:12 Uhr

Berlin - 

Bayer plant den Abbau von weltweit rund 12.000 Stellen. Ein „signifikanter Teil“ davon werde in Deutschland wegfallen, teilte der Konzern mit. Außerdem werden verschiedene Marken verkauft, die Produktion von Hämophilie-Präparaten in Wuppertal gestrichen und Firmenwerte von 3,3 Milliarden Euro vor allem im OTC-Bereich abgeschrieben.

Geplant ist die Trennung von der Geschäftseinheit Animal Health, der Verkauf der Consumer-Health-Marken Coppertone und Dr. Scholl’s sowie die Veräußerung des 60-prozentigen Anteils am deutschen Standortdienstleister Currenta. Die heutigen Entscheidungen seien keine Reaktionen auf die kürzlich vollzogene Übernahme von Monsanto, erklärte Vorstandschef Werner Baumann. „Und erst recht nicht auf die Glyphosat-Klagen in den USA.“

Die Veterinärsparte erzielte 2017 Erlöse von 1,6 Milliarden Euro, ein währungsbereinigtes Plus von 3 Prozent. 488 Millionen Euro entfielen auf Advantage (minus 9 Prozent), 218 Millionen Euro auf Seresto (plus 25 Prozent), 132 Millionen Euro auf Drontal/Droncit (plus 3 Prozent) und 113 Millionen Euro auf Baytril (k.Ä.). Coppertone und Dr. Scholl’s gehören mit jeweils rund 210 Millionen Euro zu den zuletzt weniger erfolgreichen Consumer-Marken, beide schwächelten 2017 um 6,5 Prozent. Erst im Sommer hatte sich Bayer von Skinoren (Azelainsäure), Advantan (Methylprednisolon) & Co. getrennt. Leo Pharma übernahm die verschreibungspflichtigen Dermatologika.

Mit den aktuellen Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen will Bayer das Kerngeschäft weiter stärken. „So sollen die Produktivität sowie die Innovationskraft erhöht und damit die Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert werden“, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Der Aufsichtsrat habe die entsprechende Pläne des Vorstands am Donnerstag einstimmig beschlossen. Damit sollen die Voraussetzungen für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg in langfristig attraktiven Wachstumsmärkten geschaffen werden.

„Wir haben mit der strategischen Weiterentwicklung von Bayer in den vergangenen Jahren sehr gute Fortschritte erzielt. Mit den Maßnahmen, die wir jetzt angehen, schaffen wir die Voraussetzung, um die Performance und Ertragskraft von Bayer nachhaltig zu steigern“, sagte Baumann. „Damit sind wir als Life-Science-Unternehmen bestmöglich für die Zukunft aufgestellt.“

Konkret wurden „Maßnahmen initiiert, um in den kommenden Jahren wieder an das Marktwachstum anzuschließen und die Profitabilität zu verbessern“. Dazu gehört auch ein „geplanter Rückzug aus Produktkategorien, die außerhalb von Bayer ein besseres Entwicklungspotenzial haben“. Ob jenseits der Fußpflege und des Sonnenschutzes der Verkauf weiterer Marken geplant ist, war vorerst nicht zu erfahren. Bayer will sich bei Consumer Health auf das „profitable Wachstum der Kernkategorien“ konzentrieren. Zusätzlich zu den Portfoliomaßnahmen soll auch die Organisation „neu aufgestellt werden, um in einem sich rapide verändernden Marktumfeld erfolgreich zu sein“. Der Turnaround-Plan sieht auch Maßnahmen vor, um schneller auf veränderte Verbrauchergewohnheiten und Kundenwünsche reagieren zu können.

In der Division Pharmaceuticals will Bayer verstärkte auf „externe Innovationen“ setzen. Dies geht mit einer Umstrukturierung der internen Forschung und Entwicklung einher: Die durch die Reduzierung interner Kapazitäten freiwerdenden Ressourcen sollen für verstärkte Investitionen in Forschung gemeinsam mit Partnern und externe Innovationen genutzt werden.

Um im Bereich der Hämophilie, in dem die Konkurrenz mit der Einführung mehrerer neuer Produkte deutlich gestiegen ist, wettbewerbsfähig zu bleiben, hat Bayer beschlossen, den in Wuppertal gebauten Betrieb nicht zu nutzen, sondern die Herstellung aller rekombinanten Faktor-VIII-Produkte auf den US-Standort Berkeley zu konzentrieren. In Wuppertal hatte Bayer in den vergangenen Jahren einen höheren dreistelligen Millionenbetrag investiert.

Für die Trennung vom Animal-Health-Geschäft prüft Bayer entsprechende Optionen. Zwar bieten sich laut Konzern hier Wachstumsoptionen in einem attraktiven Markt. „Die dazu notwendigen Investitionsmittel sollen jedoch für die Kerngeschäfte Pharmaceuticals, Consumer Health und Crop Science eingesetzt werden.“ Leicht wird es vermutlich nicht, die Sparte auf neue Füße zu stellen. Bayer gehört neben Boehringer (Vetmedica), der von Pfizer abgespaltenen Firma Zoetis sowie Merck (Intervet) zu den führenden Anbietern im Bereich der Tiergesundheit. Lilly will Elanco gerade an die Börse bringen.

In den Divisionen Consumer Health und Pharmaceuticals fallen im 4. Quartal voraussichtlich außerplanmäßige Abschreibungen in der Größenordnung von insgesamt 3,3 Milliarden Euro an. In der Consumer-Sparte schlagen vor allem Marken zu Buche, die mit Merck & Co. und Dihon erworben wurden.

Für 14,2 Milliarden US-Dollar hatte Bayer 2014 die OTC-Sparte des US-Pharmakonzerns gekauft und damit Umsätze von 2,2 Milliarden Dollar hinzu gewonnen. Der damalige Vorstandschef Dr. Marijn Dekkers nannte den bis dahin zweitgrößten Zukauf in der Geschichte einen „bedeutenden Meilenstein auf unserem Weg zur angestrebten globalen Marktführerschaft“ im Bereich der Selbstmedikation. Für 400 Millionen Euro hatte Bayer im selben Jahr den chinesischen OTC-Hersteller Dihon übernommen. Das unter anderem auf TCM spezialisierte Unternehmen mit einem Umsatz von umgerechnet 123 Millionen Euro und 2400 Mitarbeitern sollte zum Türöffner für den chinesischen Markt werden.

Bei Pharmaceuticals erfolgen außerplanmäßige Abschreibungen von rund 600 Millionen Euro insbesondere aufgrund der Entscheidung zum Faktor-VIII-Betrieb in Wuppertal.

Der geplante Stellenabbau bis Ende 2021 verteilt sich wie folgt: 900 Arbeitsplätze sollen in der Forschung bei Pharmaceuticals wegfallen, rund 350 im Zusammenhang mit dem Faktor-VIII-Betrieb in Wuppertal, rund 1100 durch die Neuaufstellung der Organisation bei Consumer Health, rund 4100 bei Crop Science durch die Integration von Monsanto und bis zu 6000 bei den übergreifenden Konzern- und Querschnittsfunktionen, Business Services sowie den Länderplattformen. Insgesamt beschäftigt Bayer 118.200 Mitarbeiter.

„Mit diesen notwendigen Anpassungen werden wir in Zukunft noch schlagkräftiger und agiler. Wir wollen damit die Wachstumspotenziale für unsere Geschäfte optimal nutzen“, so Baumann. „Gleichzeitig sind wir uns der Tragweite der Entscheidungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst und werden die geplanten Maßnahmen – wie in der Vergangenheit – fair und verantwortungsvoll umsetzen.“

Konzernleitung und Arbeitnehmervertreter haben sich daher in einer Gemeinsamen Erklärung auf eine neue Vereinbarung zur „Zukunftssicherung Bayer 2025“ verständigt. Demnach sind betriebsbedingte Kündigungen im Personalverbund bis Ende 2025 grundsätzlich ausgeschlossen. „Die geplanten Maßnahmen bei Bayer sind ein gravierender Einschnitt für die Kolleginnen und Kollegen“, sagte Oliver Zühlke, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Bayer. „Für uns haben die Sicherung der Beschäftigung und die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze höchste Priorität. Mit der Gemeinsamen Erklärung ist es uns gelungen, dafür gute Voraussetzungen zu schaffen.“ Die Gemeinsame Erklärung soll im ersten Quartal in eine Gesamtbetriebsvereinbarung überführt werden.