Rx-Versandverbot

Union bröckelt, SPD und Grüne frohlocken APOTHEKE ADHOC, 25.04.2018 11:11 Uhr

Berlin - 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ließ vor wenigen Tagen noch verlautbaren, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rx-Versandverbot käme „früh genug“. Doch in Wirklichkeit bröckelt es in der Union. SPD und Grüne freuen sich.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich derzeit nicht auf einen Termin für das Rx-Versandverbot festlegen. Der Gesetzesentwurf komme „früh genug“, hieß es dazu vor ein paar Tagen. Die Umsetzung des Koalitionsvertrags sei „rechtlich und europarechtlich eine Herausforderung“. Es spiele bei der Umsetzung aber keine Rolle, ob das Rx-Versandverbot ihm gefalle oder nicht.

Derweil rückte Hennrich überraschend von seiner langjährigen Forderung nach einem Rx-Versandverbot ab. „Alle Beteiligten müssen jetzt aus ihren Schützengräben und beim Arzneimittel-Versandhandel darüber nachdenken, wie wir zu einer vernünftigen Lösung kommen“, sagte der Unions-Obmann im Gesundheitsausschuss im Interview mit DAZ-online. Man könne nicht wegreden, dass es für die Versorgung wichtige Versender gebe, die sehr spezialisierte Arzneimittel von A nach B in Deutschland schickten. Es gebe dazu Handlungsbedarf in der flächendeckenden Versorgung.

Umgehend Beifall gab es vom Koalitionspartner. Er begrüße ausdrücklich, dass die Union nun Alternativen zum Rx-Versandverbot aufzeige, sagte Edgar Franke, Mitglied im Gesundheitsausschuss. „Schon vor über einem Jahr hat die SPD-Bundestagsfraktion mehrfach angemerkt, dass ein Verbot weder zeitgemäß noch rechtlich durchsetzbar ist“, so Franke. „Stattdessen haben wir konstruktive und realisierbare Vorschläge für eine Neuordnung im Interesse der Patienten und der flächendeckenden Versorgung – insbesondere im ländlichen Raum – auf den Tisch gelegt, die auch die Apotheken vor Ort stärken würden.“ Schon seit längerem plädierten die Sozialdemokraten für eine Lösung der Bonusthematik über das Sozialgesetzbuch (SGB V). „Nun gilt es, diese Option innerhalb der Koalition zu prüfen, um eine dauerhafte, rechtlich saubere und auch im Zeitalter der Digitalisierung angemessene Lösung zu erarbeiten.“

Für Bündnis 90/Die Grünen kanzelte Kordula Schulz-Asche den Vorstoß ihres CDU-Ausschusskollegen ab. „Jetzt mit einem neuen Vorschlag zu kommen, der rechtlich ebenso schwierig ist und sich weiterhin nur mit dem Versandhandel beschäftigt, ist genauso verfehlt wie das bisherige Vorgehen der Union.“

Laut Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) hätten die finanziellen Schwierigkeiten von 7600 der 16.000 selbstständigen Apotheker nichts mit dem Rx-Versandhandel zu tun. Die Grünen forderten nach wie vor eine Reform des Apothekenhonorars und einen umlagefinanzierten Sicherstellungsfonds zur Unterstützung der Versorgung in ländlichen und sozial benachteiligten Regionen. Das Apothekenhonorar reformieren wollen auch Spahn und sogar die ABDA.

Hennrich hatte vorgeschlagen, dass EU-Versandapotheken künftig verpflichtend Verträge mit den Krankenkassen abschließen sollen, um überhaupt an der Versorgung teilnehmen und Erstattungen erhalten zu können. Da ausländische Versender viele Leistungen der Vor-Ort-Apotheker wie etwa die Notdienstversorgung nicht erbringen, sollte im Gegenzug der Fixzuschlag deutlich reduziert werden. Die Kassen müssten dazu verpflichtet werden, ihr gespartes Geld in die Unterstützung kleiner oder ländlicher Apotheken zu investieren. „Wenn DocMorris beispielsweise zwei Euro Rabatt gewährt, müssten die Kassen diese zwei Euro an die Apotheken abführen. Somit wäre eines gewährleistet: Je stärker der Anteil des Versandhandels, desto mehr Geld fließt in die Apothekenstruktur.“

Davon hält Schulz-Asche nichts: „Ausländische Versandapotheken gehören dem Rahmenvertrag der Kassen und des Apothekenverbands mittlerweile an und erhalten den Herstellerrabatt“, so die Grünen-Politikerin. „Außerdem gibt es ein EuGH-Urteil, in dem wettbewerbliche Benachteiligungen ausländischer Versender ausdrücklich gerügt wurden. Der Spielraum für die Vergabe von Boni, aber auch der Anreiz von Kassen, besonders günstige Versorgungsverträge mit einzelnen Versandapotheken abzuschließen, ist heute also noch viel größer als damals.“

Individuelle Abrechnungsverträge einzelner Kassen mit ausländischen Versandapotheken würden „vermutlich genau das Gegenteil“ erreichen. „Wie es außerdem rechtlich möglich sein soll, diese Wirtschaftlichkeitsreserven zwangsweise für Investitionen in die flächendeckende Versorgung zu nutzen, lässt Herr Hennrich in seinen Ausführungen bislang offen.“

Als erster CDU-Gesundheitspolitiker hatte Georg Kippels im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC eingeräumt, dass innerhalb der Union nach Alternativen zum Rx-Versandverbot gesucht werde. „Bei der Suche nach Lösungen müssen wir uns auf realistische Grundlagen stellen. Und diese müssen juristisch belastbar und stabil sein. Nun sind wir realistisch genug zu sehen, dass so eine rigide Maßnahme bei einer Prüfung durch die EU möglicherweise Schiffbruch erleidet. Damit wäre den Vor-Ort-Apotheken kein Dienst erwiesen“, so Kippels Mitte März. Es werde sicher kein einstimmiges Votum für ein Verbot in der CDU/CSU-Fraktion geben. „Das Nein zum Rx-Versandhandel war getragen von Hermann Gröhe. Jens Spahn als neuer Gesundheitsminister hat zur Gesamtthematik eine etwas liberalere Auffassung.“