Kommentar

Er hat Apotheke gesagt! Silvia Meixner, 18.12.2017 15:09 Uhr

Berlin - 

Adieu, Hohenzollern-Apotheke. Für die Statistik gibt es jetzt eine Offizin weniger in der Hauptstadt. Es gibt sowieso zu viele, sagen die einen. Jede Apotheke, die schließen muss, ist ein Verlust, sagen die anderen.

Der Berliner Tagesspiegel widmet dem Schicksal der kleinen Apotheke, die nach über 100 Jahren schließen muss, eine große Geschichte. Ist das Thema Apothekensterben neuerdings etwa bei den Menschen angekommen? In der Mitte der Gesellschaft, wie es so schön heißt?

Kürzlich hat Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bei „Maybrit Illner“ gesagt, dass sich die Menschen fragten, ob die Politiker sie eigentlich noch kennen. „Warum ist in ländlichen Regionen kein Arzt mehr da, keine Schule, keine Apotheke, nicht einmal eine Bushaltestelle?“, fragte der Vizekanzler.

Apotheke! Er hat Apotheke gesagt. Ein Spitzenpolitiker wie Gabriel sieht Apotheken meist von außen im Vorbeifahren oder, wenn Wahlkampf ist, für einen Blitzbesuch. Es ging bei Illner um die Flüchtlingsfrage und Gabriel prangerte an, „dass wir es in dieser Gesellschaft nicht geschafft haben, den Menschen zu zeigen, dass das Land stark genug ist, um beides zu können: Die die da sind, nicht zu vergessen und denen, die kommen, trotzdem zu helfen“.

Dass gerade in ländlichen Regionen immer mehr Apotheken auf der Strecke bleiben, ist nur ein Teil des Puzzles, das die Probleme des Landes aufwirft. Meistens weint niemand, wenn eine Apotheke stirbt. Die Mitarbeiter finden angesichts des Fachkräftemangels schnell einen neuen Arbeitsplatz und erfahrene Apotheker sind ebenfalls als Vertretung gefragt. Dann ohne 70-Stunden-Woche und mit festem Gehalt, für viele eine interessante Alternative.

Nur selten äußert sich Gabriel zum Thema Apotheken. Er ist, so kann man nachlesen, Fan der Versandapotheken und trotzdem traurig, dass die Menschen ihre Apotheke vermissen. Will er das Apothekensterben auf dem Land vermeiden? Das kann man in Interviews immer mal verkünden, es tut niemandem weh und führt zu keinen politischen Verpflichtungen.

Erst wenn es weh tut, erst wenn die ersten Menschen weinen, wird man einsehen, dass man ein Problem zu lange unter den Teppich gekehrt hat. Oder eben online bestellen. Die kleine Berliner Hohenzollern-Apotheke wird dann längst Geschichte sein. In den Laden zieht vielleicht ein Coffee-Shop ein oder ein Dessous-Laden oder eine Galerie. Was die Hauptstadt zur Zerstreuung halt so braucht.