Zyto-Skandal

EU will Whistleblower besser schützen Tobias Lau, 28.05.2018 10:29 Uhr

Whistleblower wie Martin Porwoll, ehemaliger kaufmännischer Leite der Alten Apotheke in Bottrop, verlieren oft ihre berufliche Existenz. Die EU-Kommission will das ändern. Foto: Anna Mayr / Correctiv
Berlin - 

Die EU-Kommission will Informanten wie Martin Porwoll in Zukunft besser schützen. Der ehemalige kaufmännische Leiter der Alten Apotheke in Bottrop hatte den Skandal um mutmaßlich gestreckte Zytostatika aufgedeckt – und hat bis heute selbst unter den Konsequenzen zu leiden. Damit sich solche Fälle in Zukunft nicht wiederholen, hat die EU-Kommission eine Richtlinie erarbeitet, die unter anderem Racheakte von Arbeitgebern verhindern soll.

Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren teils weltpolitisch bedeutsame Missstände durch sogenannte Whistleblower aufgedeckt, von der Diesel-Affäre über die Panama Papers und die Überwachung durch die NSA bis hin zum Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica. In vielen Fällen endeten die Enthüllungen für die Informanten desaströs. So verlor auch Martin Porwoll, kaufmännischer Leiter der Alten Apotheke in Bottrop, seine berufliche Existenz und hat bis heute mit den Folgen seines Handelns zu kämpfen.

Denn in Deutschland gibt es für Informanten wie Porwoll, die im öffentlichen Interesse Interna ihres Arbeitgebers ans Licht bringen, keinen ausreichenden rechtlichen Schutz. Dass sein ehemaliger Chef Peter S. zwischen 2012 und 2016 mehr 60.000 Zytostatika-Rezepte gestreckt haben soll, wurde nur durch Porwolls Initiative bekannt – der Fall wird derzeit vor dem Landgericht Essen verhandelt. Einen Tag, nachdem er in Untersuchungshaft davon erfuhr, entließ S. ihn fristlos. Dagegen wollte sich Porwoll gerichtlich zur Wehr setzen – und scheiterte. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen entschied in erster Instanz, dass die Kündigung rechtens sei, unabhängig davon, ob sie als Reaktion auf das Whistleblowing erfolgte. Erst in zweiter Instanz einigten sich Porwoll und S. dann auf einen Vergleich. Eine feste Anstellung hat er seitdem nicht mehr gefunden.

Solche Situationen will die EU-Kommission mit ihrem Richtlinien-Entwurf in Zukunft verhindern. Informanten soll besser geschützt werden, wenn sie Missstände an die Öffentlichkeit bringen, die beispielsweise die öffentliche Gesundheit gefährden, Vorschriften der Produktsicherheit verletzen oder gegen den Verbraucher- oder Umweltschutz verstoßen. Auch in den Bereichen Wettbewerbsrecht, Steuern, Finanzdienstleistungen und Korruptionsbekämpfung sollen die neuen Regularien zum Einsatz kommen.

Dazu sollen alle privaten Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro sowie alle staatlichen Behörden und Ämter von Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern verpflichtet werden, interne Kommunikationskanäle einzurichten. Diese müssen dem Whistleblower Vertraulichkeit gewährleisten. Als Whistleblower gilt dabei jemand, der verantwortungsvoll und im öffentlichen Interesse handelt. Die persönlichen Motive spielen dabei keine Rolle. Es ist also unerheblich, ob ein Whistleblower aus gutem Antrieb handelt oder beispielsweise für die Informationen bezahlt wird. Relevant ist nur die Konsequenz seines Handelns.

Die Kommunikation von Missständen soll dem Entwurf zufolge Priorität haben. Zuallererst soll also das Unternehmen oder die Behörde selbst die Möglichkeit haben, sie zu beheben oder Schritte wie einen Gang an die Öffentlichkeit zu ergreifen. Sind diese Kanäle nicht verfügbar, so soll sich der Whistleblower an einzurichtende öffentliche Stellen richten können – und nur falls diese versagen, an die Öffentlichkeit. Entlässt der Arbeitgeber den Informanten aus Rache, so soll das vor Gericht zu einer Beweislastumkehr führen: Der Arbeitgeber müsste dann nachweisen, dass das nicht wegen der Enthüllungen geschehen ist.

„Whitsleblower sollen sicher sein können, auf welchen Wegen sie etwas enthüllen dürfen“, so die EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Vera Jurová. „Es sind mutige Menschen, die zum Wohl aller Europäer beitragen.“ Ende April wurde die Richtlinie vorgestellt, am 4. Juni soll sie dann im Rahmen eines Ratstreffens diskutiert werden. Dann müssen die Justizminister der einzelnen Mitgliedstaaten dazu Stellung beziehen.