Apotheker überführte ihn mit Testkauf

In der Praxis: Arzt verkauft Potenzmittel Alexander Müller, 26.02.2019 10:11 Uhr

Berlin - 

Weil ungewöhnlich wenige Rezepte einer bestimmten Praxis in der Apotheke landeten, schickte der Inhaber einen Testpatienten. Und der lieferte den eindeutigen Beweis: Statt ein Rezept auszustellen, verkaufte der Arzt ein Viagra-Generikum gleich in der Praxis. Das Landgericht Leipzig hat dem nun ein Ende gesetzt. Allerdings wüsste der Apotheker noch gern, welcher Kollege die Praxis beliefert und gegebenenfalls für diese sogar mit den Kassen abrechnet.

Zuerst war es dem Steuerberater des Apothekers aufgefallen: Die Umsätze aus dem urologischen Bereich lagen deutlich unter dem zu erwartenden Wert – eigentlich hätten viel mehr Rezepte aus der Praxis ihren Weg in die Apotheke in direkter Nachbarschaft finden müssen. Also heuerte der Apotheker aus dem sächsischen Markkleeberg einen Testkäufer an. Für ein Honorar von 60 Euro zuzüglich Auslagen sollte dieser mit einer vermeintlichen psychisch bedingten erektilen Dysfunktion in der Praxis vorsprechen.

Nach der Untersuchung schloss der Arzt physische Ursachen aus. Der Lockvogel sagte, dass er gerne Viagra ausprobieren würde und fragte, ob das Präparat verschreibungspflichtig und nur in der Apotheke zu bekommen sei. Der Mediziner erklärte, dass er entweder ein Rezept ausstellen oder ihm das Arzneimittel direkt geben könne.

Natürlich wollte der falsche Patient das Mittel sofort, dafür war er ja schließlich in der Praxis. Der Arzt las als nächstes eine Liste von Potenzmitteln vor, erläuterte verschiedene Packungsgrößen und erklärte, was er vorrätig habe. Der Testpatient wurde zum Testkäufer und erstand Sildaristo, 12 Tabletten à 100 mg zum regulären Preis von 30 Euro. Dann fragte er nach einer Quittung. Man verständigte sich auf die Formulierung „Hodenkrebsvorsorge“ – so weit, einen echten Beleg auszustellen reichten die Allmachtsfantasien des Halbgotts in Weiß dann doch nicht.

Der Apotheker zahlte seinem Testkäufer 90 Euro und mahnte den ärztlichen Kollegen ab. Man traf sich schließlich vor Gericht. Dort trug der Apotheker vor, dass der Testkäufer in der Praxis auch noch beobachtet habe, wie ein anderer Patient ein Kassenrezept gegen ein Arzneimittel eingetauscht habe. Er verlangte nicht nur Unterlassung, sondern auch Schadendersatz und Auskunft darüber, woher der Arzt die Medikamente bezieht und über wen er mit Krankenkassen abrechnet.

Der Arzt bestritt vor Gericht, dass er regelmäßig verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten abgebe. Es gebe auch keinen Bezug zu einer „Partnerapotheke“. Das Sildenafil-Präparat habe der junge Mann „zu einem üblichen Versandapothekenpreis“ erhalten, weil er glaubhaft sein akutes Leiden geschildert, sich in einer extremen Notsituation befunden und den Arzt zur Abgabe gedrängt habe.

Das Landgericht erkannte diese Notlage nicht an und bewertete die Abgabe als Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz. Und der Arzt stehe – anders als von ihm behauptet – sehr wohl im Wettbewerbsverhältnis zum Apotheker, sobald er Medikamente abgebe. Aus den Schilderungen sei auch nicht ersichtlich, dass der falsche Patient den Arzt zu einer Handlung gedrängt habe, zu der dieser nicht ohnehin bereit gewesen sei. Testmaßnahmen bei einem Arzt seien nicht per se unzulässig, sondern ein unentbehrliches Mittel, um Fehlverhalten festzustellen, so das Gericht.

Laut dem Urteil ist der Arzt auch zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Apotheker entstanden ist. Und der ist durchaus messbar, denn seitdem der Fall bei Gericht ist, erhält die Apotheke mehr Verordnungen aus jener Praxis. Der Arzt muss jetzt mitteilen, welche Arzneimittel er an seine Patienten abgab oder verkaufte. Der Auskunftsanspruch des Apothekers erstreckt sich aber nicht auf den Lieferanten oder die Abrechnungsmodalitäten, denn beides hat mit der Schadenshöhe nichts zu tun. Hierfür könnten sich allerdings die Kassen oder Behörden interessieren.

In einem ähnlichen Zusammenhang hatten zuletzt die „Alpha-Ärzte“ auf sich aufmerksam gemacht. Die Firma hat den privatärztlichen Haus- und Notdienst als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Allerdings hat die eigene Darstellung rechtliche Fragen aufgeworfen. Denn der Service wurde so beschrieben: „Unsere Ärzte haben Arzneimittel dabei, die erfahrungsgemäß am häufigsten benötigt werden.“ Die Versorgung finde meist vor Ort statt. „In der Regel können unsere Ärzte Ihnen so den Weg in die Apotheke oder Notapotheke ersparen. Sollte ein benötigtes Medikament nicht vorhanden sein, stellen wir Ihnen ein Rezept aus.“

In den FAQ hieß es zudem: „Gängige Medikamente, die häufig benötigt werden, haben unsere Ärzte immer für Sie dabei. So können Sie sich beim Hausbesuch direkt damit versorgen lassen. Unsere Apotheke schickt Ihnen anschließend eine Rechnung. Sollte sich ein Medikament einmal nicht im Arztkoffer befinden, bekommen Sie ein Rezept ausgestellt. Damit kann zum Beispiel ein Angehöriger die Apotheke oder Notapotheke aufsuchen.“ Nachdem APOTHEKE ADHOC über die Alpha-Ärzte berichtet hatte, wurde die Darstellung auf der Seite angepasst.