Schweiz

EllaOne: Kampagne auf Clubtoiletten Eugenie Ankowitsch, 25.01.2017 12:44 Uhr

Berlin - 

In der Schweiz sorgt eine Kampagne von HRA Pharma für Schlagzeilen. Noch bis Ende Januar wirbt der Hersteller für sein Notfallkontrazeptivum EllaOne (Ulipristal) auf den Toiletten von rund 40 Clubs in Zürich und Winterthur. Das sorgte für heftige Kritik, erregt aber auch viel Aufmerksamkeit.

Seit knapp einem Jahr ist EllaOne in der Schweiz als einziges Notfallkontrazeptivum ohne Rezept erhältlich. Nun ist der Hersteller wegen der Werbung für die Pille danach, die eine Schwangerschaft bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr verhindern kann, in die Kritik geraten. Seit einem Monat wirbt das Unternehmen auf den Toiletten in Nachtclubs mit einem Quiz zum Thema Sex und Notfallverhütung und einem Verweis auf die Website von EllaOne. Und das offenbar mit großem Erfolg.

Mit der Aktion habe man eine „extrem hohe Aufmerksamkeit“ erregt, sagt der Chef der verantwortlichen Werbeagentur Face, Dan Furrer. Sein Unternehmen vermittelt an interessierte Unternehmen Werbeflächen unter anderem auf den Toiletten in der Gastronomie und in Clubs. Für HRA Pharma wurden violette Plakate aufgehängt, unter denen sich ein Fach mit Informationsbroschüren befindet.

Laut Furrer werden fast zwei Drittel der Broschüren tatsächlich mitgenommen. „Das ist phänomenal, vor allem angesichts der relativ kurzen Laufzeit der Kampagne von nur einem Monat.“ Normalerweise sei eine Resonanz von 4 bis 5 Prozent ein Grund zur Freude. Die Zahl der Visits auf der Webseite von EllaOne sei ebenfalls „explodiert“. Das Thema Notfallverhütung scheine also junge Frauen intensiv zu beschäftigten, sagt der Werbefachmann.

Bei Patientenvertretern, in der Politik und in den Fachkreisen stößt die Aktion allerdings auch auf harsche Kritik. Margrit Kessler, Präsidentin der Stiftung SPO Patientenschutz, sagte gegenüber dem Nachrichtenportal „20 Minuten“, die Werbung sei „unhaltbar“ und sollte in Clubs verboten sein. „Sie sorgt geradezu dafür, dass sich junge Mädchen Männern – womöglich durch diese Werbung – ungeschützt und ohne an Verhütung zu denken zur Verfügung stellen“, wird sie zitiert. Das Ganze werde durch Alkoholkonsum begünstigt.

Auch Maja Ingold, Gesundheitspolitikerin und EVP-Nationalrätin, verwies darauf, dass die Pille danach nicht vor der Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten schütze.

Roman Schmid, Inhaber der 24-Stunden-Apotheke am Zürcher Bellevue, findet es bedenklich, dass die Werbung die Zeitspanne von fünf Tagen für die Notfallverhütung anpreist. Seiner Ansicht nach erhöht das die Risikobereitschaft. „Die meisten Menschen machen heute alles in letzter Minute, das ist bei der Pille danach nicht anders“, sagte Schmid dem Nachrichtenportal. „Kommt jemand erst nach fünf Tagen in die Apotheke, kann es aber schon zu spät sein.“

Bei HRA Pharma sieht man die Werbung hingegen in erster Linie als Präventions- und Aufklärungskampagne. „Es ist nach wie vor eine wenig bekannte Tatsache, dass Spermien nach dem Geschlechtsakt bis zu fünf Tage im weiblichen Genitaltrakt überleben können. Dieses Wissen ist jedoch essentiell, um ungewollten Schwangerschaften effizient vorbeugen zu können“, sagte Myriam Cheli, Geschäftsführerin von HRA Pharma in der Schweiz. „Über unsere speziell für diese Kampagne eingerichteten Internetseiten haben Frauen die Möglichkeit, sich über die Einzelheiten ihres reproduktiven Zyklus und mögliche kontrazeptive Maßnahmen zu informieren.“

Die Kampagne soll laut Cheli keinesfalls zu einem Verzicht von Kondomen animieren. „Wir sind stets bemüht, Frauen hinsichtlich der Bedeutung der Verhütung mit Kondomen zu sensibilisieren, um die Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten zu verhindern.“ Deshalb liege auch jeder Patientenbroschüre ein Gratiskondom bei. In der Schweiz dürfen Hersteller für rezeptfreie Medikamente werben. Allerdings muss vorher eine Beratung erfolgen, auch darf die Werbung laut Apothekerverband Pharmasuisse nicht aufdringlich oder marktschreierisch sein.

Hierzulande ist Reklame für die Pille danach verboten. Im Vorfeld des OTC-Switches vor zwei Jahren war das Heilmittelwerbegesetz (HWG) entsprechend geändert worden: Das Werbeverbot für Arzneimittel, die das Risiko der Abhängigkeit bergen, gilt damit auch für Notfallkontrazeptiva.