Hilfsmittelvertrag

20 Sekunden: Die Telefon-Vorgaben der DAK Alexander Müller, 06.02.2019 09:57 Uhr

Berlin - 

Die DAK kommt in der Versorgung ihrer Versicherten mit aufsaugenden Inkontinenzhilfen derzeit ohne Apotheken aus. Bei der Kasse bedauert man dies. Doch als unlängst ein Apotheker einen Vertrag abschließen wollte, hat er nach Lektüre des Anforderungskatalogs resigniert. Wie soll er der DAK beweisen, dass er nach spätestens viermal Klingeln ans Telefon geht?

Viele Apotheken haben sich aus dem Bereich der Inkontinenzversorgung schon gänzlich zurückgezogen, weil es viel Aufwand bedeutet und sich einfach nicht mehr lohnt. Die Kassen zahlen für die Versorgung eine monatliche Pauschale, mit der eine angemessene Versorgung kaum oder gar nicht dargestellt werden kann. Die Kunden müssen im Zweifel aufzahlen, um die benötigte Menge Hilfsmittel zu erhalten.

Vertragspartner der Kassen sind daher oft Firmen, die die Versicherten direkt beliefern. Die Versorgungsqualität hat sich dadurch nicht unbedingt verbessert. Das weiß man auch bei der DAK. Die Kunden, aber auch die Kasse selbst hätten in den vergangenen Jahren in diesem Versorgungsbereich „sehr viel Negatives erfahren“, heißt es in einem Schreiben der Kasse an Leistungserbringer.

Tatsächlich haben DAK-Versicherte beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Aufsichtsbehörde der Kasse, viele sogenannte Eingaben getätigt, sich also über die Leistung ihrer Kasse beschwert. Es ging um Versorgungsprobleme und -engpässe, aber auch Beschwerden über die Qualität der gelieferten Produkte. Deshalb will die Kasse künftig sehr genau darauf achten, wen sie unter Vertrag nimmt und ob die Partner die Kriterien der Kasse erfüllen. Das werde man „sehr sensibel und allumfänglich prüfen“, kündigt die Kasse gegenüber potenziellen Lieferanten an.

In einer Anlage zum Rahmenvertrag sind die Leistungsvorgaben gelistet, die Vertragspartner der DAK erfüllen müssen. Dazu zählt zum Beispiel, dass sie mindestens vier individuell geeignete Versorgungen von mindestens zwei verschiedenen Herstellern im Sortiment haben müssen. Die Hersteller müssen der Kasse genannt werden.

Weitere Kriterien betreffen die Erreichbarkeit der Apotheke. Dazu heißt es: „80 Prozent der Anrufe sind innerhalb von 20 Sekunden anzunehmen.“ Die Apotheke muss ein Konzept zur Umsetzung und Sicherstellung vorlegen, gemeint ist etwa der Personaleinsatz. Aber das gute alte Telefon reicht im Zeitalter der Digitalisierung nicht: Zum Pflichtprogramm gehört auch eine Chat- oder Video-Beratung. Außerdem muss den DAK-Versicherten ermöglicht werden, alle administrativen Prozesse über ein Online-Tool abzuwickeln.

Ein schlüssiges Konzept ist auch für die Logistik vorzulegen. Hier müssen die Vertragspartner sicherstellen, dass sie innerhalb von 48 Stunden nach Auftragseingang ausliefern. Eine „Auftrags- und Paketverfolgung in Echtzeit durch den Versicherten“ soll ebenfalls helfen, die Versorgungsqualität zu steigern. Präqualifiziert für die Produktgruppen müssen die Vertragspartner überdies sein.

Als er diesen Katalog eingesehen hatte, winkte der Apotheker dankend ab. Dabei hat er sich auf den Bereich Hilfsmittelversorgung sogar spezialisiert und eine eigene Firma dafür ausgegründet. Aber die Ansprüche der DAK kann er nicht erfüllen, vor allem nicht für den aufgerufenen Preis: 14,15 Euro pro Monat zahlt die Kasse für die Versorgung ihrer Versicherten mit Inkontinenzprodukten. Zum Vergleich: Die AOK zahlt 20,90 Euro, die TK immerhin 18,45 Euro. Von der IKK Classic mit einer Pauschale von 24,99 Euro ist die DAK meilenweit entfernt.

Und selbst die höheren Beträge reichen oft für eine angemessene Versorgung nicht aus, so dass die Versicherten aus der eigenen Tasche Aufzahlungen leisten müssen. Die DAK kommuniziert das zumindest gegenüber ihren Mitgliedern anders: „Ein Eigenanteil fällt nicht an. Sie müssen lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung leisten, die Sie direkt an den Vertragspartner zahlen“, heißt es von der Kasse. Eine Aufzahlung falle nur gegebenenfalls an, wenn sich der Patient für „Wunschprodukte“ entscheide.

Bundesweit hat die DAK für ihre Modell elf Vertragspartner gefunden. „Weitere Vertragslieferanten können hinzukommen. Apotheken sind bisher leider nicht dabei“, so ein DAK-Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Interessierte Leistungserbringer können im Online-System der Kasse die bestehenden Verträge mir Konditionen und Preisen einsehen und den Beitrittsantrag elektronisch stellen.