Pfusch-Prozess

Alte Apotheke: Gewinn an der „Grenze zur Erklärbarkeit“ APOTHEKE ADHOC, 18.01.2018 17:39 Uhr

Berlin - 

Im Pfusch-Prozess von Bottrop hat vor dem Landgericht Essen heute Martin Porwoll ausgesagt. Der ehemalige kaufmännische Leiter der Alten Apotheke ist einer der Whistleblower im Skandal: Er hatte Bestell- und Abrechnungsmengen der Wirkstoffe verglichen und schließlich Anzeige gegen Inhaber Peter S. gestellt. Wie das Recherchnetzwerk Correctiv berichtet, ging es vor Gericht auch um die Gewinne der Apotheke.

Als kaufmännischer Leiter habe er ein Bruttogehalt von 98.000 Euro erhalten, schreibt Correctiv. Zu seinen Aufgaben hätten Personalplanung und Privatabrechnung gehört, aber auch die komplette EDV sowie die Mietobjekte, die Vorbereitung von Entscheidungen, das Schreiben von Reden sowie die Buchhaltungsvorbereitung für den Steuerberater. Er habe Kontovollmacht gehabt, aber nie die Bilanz der Alten Apotheke gesehen und auch nicht die Steuererklärung, wird Porwoll von Correctiv zitiert. Die intimsten finanziellen Verhältnisse habe er sich nicht angesehen, es gebe Grenzen.

Allerdings habe der Steuerberater, ein enger Vertrauter der Familie, ihm gegenüber einmal geäußert, der hohe Gewinn der Alten Apotheke sei an der „Grenze zur Erklärbarkeit“. Der Steuerberater sagte weiter, S. habe einmal auf Nachfrage erklärt, er sei ein guter Einkäufer. Doch damit hätte sich der Steuerberater 2016 nicht mehr zufrieden geben wollen.

Einmal habe er S. gesehen, wie er Bestandsdaten im Dokumentationsprogramm Zenzy manipuliert habe. Inventuren seien nicht regelmäßig gemacht worden, sagt Prowoll. Ein Versuch sei gescheitert wegen mangelnder Technik.

Krebsmedikamente seien auch von einer Partnerapotheke aus Wesel bezogen worden. Laut Porwoll machte die Alte Apotheke außerdem Geschäfte mit Retouren an die Noweda. Ihm sei nicht bekannt, dass die Ware dann nicht zurückgeschickt worden sei. Es sei auch nicht mehr geliefert worden, als ursprünglich bestellt worden sei. Er wisse das, da er dabei gewesen sei. „Wir hatten sehr gute Konditionen, es wäre gar nicht nötig gewesen uns auf diese Weise etwas zukommen zu lassen“, wird er von Correctiv zitiert. Die Verteidigung versucht, die zu viel abgerechneten Beträge auch mit solchen Nebengeschäften zu erklären.

Porwoll erklärte weiter, er habe S. regelmäßig in Stadtkleidung im Sterillabor gesehen, ihn aber nicht darauf angesprochen. Er habe die Autorität seines Chefs akzeptiert. Später sei die Sache im Team thematisiert worden. Mitarbeiter hätten gesagt, dass das eigentlich nicht gehe.

Noch am Tag der Verhaftung seien die Eltern davon ausgegangen, dass es um Hygienemängel gehe: „Ich hab doch immer gesagt, dass Peter nicht mit seinem Anzug ins Labor gehen soll“, zitierte Porwoll den Vater. Der habe ihm später erklärt, man hätte die Sache doch auch anders regeln und die Apotheke beispielsweise wieder zurück übertragen können. Porwoll sagte aus, dass die Mutter sehr gut über die Geschäftsvorgänge in der Apotheke informiert gewesen sei.

Laut Porwoll hat S. stets entschieden, welche Infusion er selbst zubereite. Nach welchen Kriterien, wisse er nicht, wird er von Correctiv zitiert. Es sei kein System erkennbar, nachdem der Apotheker gearbeitet habe könnte. Im Lauf der Verhandlung wurde Porwoll auch zu den wirtschaftlichen Beziehungen zu Onkologen und zu Beschwerden seitens der Ärzte befragt.

Porwoll kannte S. seit Kindheitstagen. Wie er vor Gericht aussagte, hatte er von der ersten Anzeige 2014 gehört. Bei einem Kündigungsgespräch hätten dann zwei PTA von untragbaren Zuständen im Sterillabor berichtet. Zunächst habe er sich nichts dabei gedacht, aber einen letzten Satz von einer Mitarbeiterin habe er in Erinnerung behalten: Er solle sich mal das Produkt Xgeva ansehen, zitiert Correctiv aus seiner Aussage. Später sei das Thema in der Belegschaft verklausuliert angesprochen worden. „Therapien werden hereingezaubert“, so ein Beispiel.

Die Verteidigung interessierte sich für die Verbindungen Porwolls zu Correctiv und will ihn später noch einmal befragen. Zunächst wollen die Anwälte von S. die Akte zu einem Strafverfahren gegen Porwoll auswerten. Correctiv zitiert den Richter: „Wenn das alles ist, was sie vorzuführen haben, ist das wenig.“