Schnellfreisetzende Arzneiformen

Orodispersible Filme als Apothekenrezeptur APOTHEKE ADHOC, 29.10.2018 11:35 Uhr

Berlin - 

Der Einsatz von orodispersible Arzneiformen ist bei einigen Patientengruppen vorteilhaft und mit einer besseren Compliance verbunden. Bisher werden sie hauptsächlich industriell hergestellt, doch auch im normalen Apothekenbetrieb ist eine Herstellung denkbar. Das wurde neulich bei der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte (APD) thematisiert.

Orodispersible Arzneiformen sind definitionsgemäß Arzneiformen, die schnell in der Mundhöhle zerfallen und dabei entweder den Wirkstoff selbst oder partikuläre Wirkstoffträger freisetzen. Zu ihnen gehören Lyophilisate zum Einnehmen („Schmelztabletten“), orodispersible Tabletten (ODT), orodispersible Minitabletten (ODMT) sowie orodispersible Filme (ODF).

Diese Arzneiformen eignen sich insbesondere für „Problempatienten” wie Kinder, Senioren, Patienten mit Schluck-/GIT-Transportstörungen und solche, die beispielsweise an Morbus Parkinson, Migräne, Übelkeit und Zytostatika-induziertem Erbrechen leiden und gebrechlich beziehungsweise immobil sind. Die Gründe liegen auf der Hand: Der Wirkstoff wird schnell freigesetzt und steht somit schnell zur Wirkung bereit, die Anwendung ist unkompliziert. Zudem ist kein Wasser erforderlich; somit ist die Darreichungsform auch für unterwegs geeignet. Außerdem wird der First-Pass-Effekt umgangen, so dass eine geringere Dosis benötigt werden könnte, um die gleiche Blutkonzentration zu erreichen. Mögliche Folge wären eine Verminderung der Nebenwirkungsrate sowie der Kosten. Experten sehen in orodispersiblen Arzneiformen die Zukunft. In den USA entfallen bereits mehr als 50 Prozent aller Arzneimittelentwicklungen auf diese Technologie.

Allerdings können schlecht schmeckende Arzneistoffe zu einer schlechten Compliance führen, daher sollte in solchen Fällen der Geschmack mithilfe von Korrigenzien maskiert werden. Damit die orodispersiblen Zubereitungen vom Patienten akzeptiert werden, spielen auch die Palatabilität, das Mundgefühl beziehungsweise die Textur, in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle.

Kürzlich gab Dr. Wolfgang Kircher im Rahmen der APD-Tagung einen Ausblick auf zukünftige moderne patientenindividuelle orale Rezepturarzneimittel. Seinen Ausführungen zufolge lassen sich die orodispersibeln Filme oder Schmelzfilme ohne größeren apparativen Aufwand auch in der Apothekenrezeptur herstellen. Mittels einer Eppendorfpipette sei eine zusätzliche dosisgenaue Auftragung des Wirkstoffs möglich. Eine entsprechende Vorschrift soll bald Einzug ins DAC/NRF finden, wie die Pharmazieräte in ihrer Resolution fordern.

Orodispersible Filme bestehen aus einem Polymer, einem Weichmacher, dem eingesetzten Wirkstoff, je nach Bedarf aus Geschmackskorrigenzien, Farbstoffen, Füllstoffen und je nach Herstellungsmethode aus einem Lösungsmittel. Sie finden sich außerdem im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) wieder. Diese Darreichungsform ist unter der Monographiegruppe „Zubereitungen zur Anwendung in der Mundhöhle“ beschrieben. Das Arzneibuch schreibt für ODF ausschließlich eine angemessene mechanische Stabilität sowie einen Nachweis der Freisetzung vor. Andere Charakterisierungsmethoden wie die Bestimmung der Zerfallszeit, der Rekristallation im Film und der Gleichförmigkeit einzeldosierter Arzneiformen nennt es nicht.

Technologisch werden für die Herstellung häufig die „Solvent casting-Methode” sowie die Schmelzextrusion genutzt. In der jüngsten Vergangenheit hatte Hexal orodispersible Filme auf den Markt gebracht, unter anderem das Neuroleptikum Risperidon („Risperidon Hexal SF”) sowie der bei Morbus Alzheimer eingesetzte Arzneistoff Donepezil („Donepezil Hexal SF”). Diese Darreichungsformen wurden später jedoch vom Markt genommen.