Lieferengpässe

Defekt-Gipfel diskutiert Hennrich-Vorschläge Lothar Klein, 03.09.2019 11:50 Uhr

Nachdenken: CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich sucht Instrumente gegen Lieferengpässe. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Die Klagen über Lieferengpässe in den Apotheken reißen nicht ab. Die Defektenlisten weisen bis zu 500 Arzneimittel aus. Jetzt nimmt sich die Politik erneut dem Problem an: CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich (CDU) hat für heute zu einem „Lieferengpass-Gipfel“ geladen. Mit am Tisch sitzen ABDA, Ärzte, Großhandel, Krankenkassen und der BPI. Die AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion will bereits Mitte September ein Maßnahmenpaket beschließen. Dieses soll mit dem Apothekenstärkungsgesetz verabschiedet werden.

Lange hat die Politik das Problem dem Jour Fixe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überlassen. Doch statt weiter an den Symptomen zu kurieren, will die Politik jetzt offenbar mit gesetzlichen Maßnahmen reagieren. Druck gab es zuletzt auch aus dem Ausland. Belgien verbot Mitte des Jahres den Export von Arzneimitteln: Die Änderung des Arzneimittelgesetz sieht vor, dass Großhändler nur noch Apotheken sowie andere Großhandelsverteiler in Belgien mit Humanarzneimitteln beliefern dürfen. Einige begrenzte Ausnahmen gelten für Präparate, die in klinischen Studien zum Einsatz kommen. Der Export ins Ausland oder an reine Großhändler wurde untersagt.

Für Aufmerksamkeit im Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) sorgte zudem ein umfassenden 28-Punkte-Thesenpapier der französischen Gesundheits- und Sozialministerin Agnès Buzyn vom Juli zum Thema Lieferengpässe. Darin heißt es unter anderem, dass der Informationsfluss über mögliche Lieferprobleme vom Hersteller über Behörden, Apotheker bis zum Patienten verbessert werden soll. Verordnete, aber nicht verfügbare Arzneimittel sollen leichter ausgetauscht werden können. Besonderes Augenmerk soll auf Zytostatika und Antibiotika gelegt werden.

Rabattverträge müssen mit mindestens zwei Herstellern abgeschlossen werden. Großhändler sollen stärker kontrolliert werden. Es soll Anreize für die Arzneimittelproduktion in Frankreich geben. Es soll eine europäische Lieferengpass-Datenbank aufgebaut. Es soll im Pariser Gesundheitsministerium eine Task Force Lieferengpässe eingerichtet werden. Von Exportverboten ist darin allerdings nicht die Rede. Frankreichs Großhändler unterstützen das Maßnahmenpaket.

Jetzt hat auch CDU-Arzneimittelexperte Hennrich ein paar Vorschläge zur Diskussion gestellt: Export-Verbot, Arzneimittelreserve und Generikaquote. Seit einiger Zeit verfolge er die Diskussion, sagte Hennrich im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC, in der Sommerpause habe das Thema in vielen Regionalzeitungen eine Rolle gespielt. „Lieferengpässe sind ein komplexes Problem, dass wir jetzt angehen müssen“, so Hennrich, „meine Vorschläge dienen nur als Diskussionsgrundlage. Jeder Kann seine Ideen einbringen. Mitte September wird die AG Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Maßnahmenpaket verabschieden.“

Hennrich schlägt unter anderem vor, die Arzneimittelreserve des Großhandels für häufig defekte Arzneimittel von zwei auf sechs Wochen zu erhöhen. Vorstellen kann sich Hennrich zu diesem Zweck, die bislang freiwilligen Meldungen der Hersteller ans BfArM verpflichtend zu machen und daraus Listen von Arzneimittel mit längerer Lagerverpflichtung zu erstellen.

Beim Großhandel stoßen solche Ideen allerdings prompt auf Skepsis. Es nutze wenig, die Reserven für nicht lieferfähige Arzneimittel zu erhöhen. Außerdem wird dort auf die damit verbundenen Kosten von mehrerer Milliarden Euro verwiesen, die nicht vom Großhandel getragen werden könnten.

Auch an die Rabattverträge will Hennrich noch einmal ran. Bei der Vergabe durch die Kassen könnte der Nachweis der Lieferfähigkeit eine größere Rolle spielen. Solch eine gesetzliche Vorschrift gebe es bereits Verteidigungs-­ und Sicherheitsbereich. Allerdings sprechen die anhaltenden Ausrüstungsprobleme der Bundeswehr nicht gerade für den Erfolg einer solchen Maßnahme.

Nicht ausschließen will Hennrich auch ein Exportverbot für Großhändler und Hersteller gilt. Allerdings ist Hennrich bewusst, dass eine solche Maßnahmen für eine führende Exportnation politisch problematisch ist.

Ins Gespräch gebracht hat Hennrich zudem, dass Apotheker eine Substitution durch wirkstoffgleiche Arzneimittel mit in Europa hergestellten Wirkstoffen vornehmen können. Ähnlich der Importquote überlege man die Einführung einer Abgabequote für Apotheker. Vorstellen kann sich Hennrich auch Subventionen für die Antibiotika-Produktion in Europa.