Apothekenhonorar

Treuhand-Experte Diener zerpflückt Honorargutachten APOTHEKE ADHOC, 04.05.2018 10:04 Uhr

Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich in dieser Wahlperiode das Apothekenhonorar vorknöpfen. Dort sieht er Reformbedarf. Brisant: Von der Vorgängerregierung hat die Große Koalition das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) beauftragte Gutachten geerbt. Die ABDA will sich damit nicht auseinandersetzen. Jetzt hat aber Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, das Gutachten „zerpflückt“. Und dem BMWi macht Diener schwere Vorwürfe: Es habe das Gutachten um den Aspekt des Rx-Versandhandels erweitert, um es besser „vermarkten“ zu können.

In einer Bewertung für den Branchendienst „Observer Gesundheit“, die APOTHEKE ADHOC in Auszügen vorliegt, kommt Diener zu folgendem Fazit: Das Gutachten stehe auf einer stark mangelbehafteten Datengrundlage, habe eine halbe Million Euro gekostet, sei aber „nicht der Rede wert“. Dieners Kritik fokussiert sich auf drei Themenfelder: die nachträgliche Erweiterung des Gutachtenauftrages, gravierende Mängel der Datenbasis und methodisch-konzeptionelle Mängel.

„Wenn bei einem Gutachten, das im Wege einer öffentlichen Ausschreibung vergeben wurde, der Gutachtenauftrag nachträglich erweitert wird, so hat das schnell ein ‚Geschmäckle‘“, schreibt Diener. Die zentrale Botschaft des 2hm-Gutachtens, dass die Apothekenvergütung um weit über eine Milliarde Euro im Jahr zu hoch sei und gleichzeitig ein Drittel der Apotheken existenziell gefährdet seien, hätte sich nicht wirklich als in sich schlüssig „vermarkten“ lassen. Ein solch in sich widersprüchliches Ergebnis hätte die Medien und die Politik eher irritiert. Diener wirft dem BMWi politische Manipulation vor: „Vieles deutet darauf hin, dass der Gutachtenauftrag zu einem Zeitpunkt erweitert wurde, als im BMWi diese Vermarktungsproblematik bewusst und deutlich wurde.“

Mit der von den Gutachter positiv bewerteten Rolle des Arzneimittelversandhandels habe es plötzlich eine „frohe Botschaft“ gegeben: „Eine drastische Kürzung des Apothekenhonorars würde das ohnehin vorgezeichnete Sterben von 7600 Apotheken höchstens ein wenig vorziehen, aber weil es gottlob den Versandhandel gibt, der massenhaft verschwindende Apotheken ohne Versorgungsprobleme kompensieren wird, kann man beim Apothekenhonorar tatsächlich über eine Milliarde Euro sparen, ohne die Arzneimittelversorgung auch nur ansatzweise zu gefährden.“

Den 2hm-Gutachtern wirft Diener schwere methodische Fehler vor: Die zur Analyse der wirtschaftlichen Lage der Apotheken benutzten Destatis-Daten zeichneten die wirtschaftliche Lage der Apotheken zu positiv und vernachlässigten die Kostenseite. In die Destatis-Apothekendaten würden auch apothekenfremde Umsätze einbezogen: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen von Apothekern ebenso wie Einkünfte von Ehepartnern bei gemeinsamer steuerlicher Veranlagung. „Die Umsatzlage der Apotheken wird in dem Datenset, das 2hm nutzt, systematisch überschätzt“, so Diener.

Im Destatis-Datenset würden zudem Apothekenverbünde betrachtet. Es würden Hauptapotheken und Filialen der Inhaber zusammengefasst. Das sei für die Destatis-Zwecke sinnvoll. Für betriebsspezifische und versorgungsspezifische Aussagen seien diese Daten hingegen nicht „probat“. Außerdem seien steuerlich abzugsfähige Fremdkapitalzinsen und Abschreibungen nicht berücksichtigt. Die Destatis-Daten müssten daher bereinigt werden. Diener: „Insofern wird die Kostenlage der Apotheken systematisch unterschätzt.“

Als weiteren gravierenden Mangel führt Diener auf, dass kalkulatorische Kosten von 2hm nur unzulänglich oder gar nicht berücksichtigt worden seien. Dazu zählten der Unternehmerlohn, die Eigenkapitalverzinsung sowie die kalkulatorische Miete. „Da wird the State of the art der betriebswirtschaftlichen Kunst verfehlt“, so Dieners fundamentale Kritik.

Dieners Kritik richtet sich aber nicht nur gegen die Datenbasis, sondern auch gegen die Berechnungen: Das von 2hm für den Unternehmerlohn angesetzte Jahresgehalt des Leiters einer Krankenhausapotheke müsse um übertarifliche Zulagen, der Wert der betrieblichen Altersversorgung sowie das Faktum quantitativ berücksichtigt werden, dass der Leiter der Krankenhausapotheke keinerlei privatwirtschaftliche Haftung wie der freiberufliche Apothekeninhaber habe.

Auch das Packungszahlenkonzept von 2hm sei problematisch und so angelegt, dass der Rx-Packungsanteil der Apotheken möglichst klein gerechnet werde. Unter anderem beziehe 2hm das sogenannte „Ergänzungssortiment“ der Apotheken, das die freiverkäuflichen Produkte abdeckt, in die Gesamtpackungszahl ein. Sogar die Gratis-Zugaben, Give aways und Pröbchen werden dabei von 2hm als gleichwertig zu den Rx-Arzneimitteln in der Gesamtpackungszahl als in Apotheken verkaufte Packungen mitgezählt. Dadurch sinke der Rx-Anteil an den Gesamtpackungen von über 50 auf 40 Prozent.

Die von den Gutachtern vorgeschlagene Kürzung des Fixzuschlags von 8,51 Euro auf 5,84 Euro hält Diener für „katastrophal“. Der Vorschlag der Kompensation OTC-Preiserhöhungen sei „geradezu zynisch, wenn man sieht, dass die Versandapotheken durch aggressives Preisdumping im OTC-Bereich einen Marktanteil von rund 15 Prozent erreicht haben – mit steigender Tendenz“. Diener: „Es ist ökonomisch völlig klar, dass die Präsenzapotheken diese Ausgleichsoption nicht haben.“