Nachtdienstgedanken

Gedicht: Aus dem Leben eines Apothekers Sarah Sonntag, 11.02.2018 08:36 Uhr

„Sarah, schau mal, da liegt ein Brief!“, sagt Max. Illustration: Claus Ernst
Berlin - 

Alle sind weg, der Notdienst kann beginnen. Warum ist denn die Apotheke wieder so kalt? Sind das latente Sparmaßnahmen? Ich drehe die Heizungen auf und lasse Wasser für einen Tee kochen. In der Zwischenzeit mache ich einen schnellen Rundgang durch die Apotheke. Oh! Jemand hat das Licht in der Rezeptur angelassen. Die PTA wird Montag zu tun haben, sechs Sachen müssen angerührt werden. „Sarah, schau mal, da liegt ein Brief!“, sagt Max.

Liebe/r Apotheker/in,

egal ob jung oder alt, groß oder klein
Stets machst du deine Arbeit fein
Du hast zwar eine Approbation
Besser wäre doch der Master für Dokumentation

Rezeptur, Kassenbelege und auch der Hygieneplan
Wenn die Revision kommt, fühlt sie dir auf den Zahn
Stets will sie wissen, was du mit X und Y hast gemacht
Du zitterst, obwohl du mehr Zeit mit Ordnern hast verbracht.

Viel lieber wäre dir Beratung statt Papierarbeit
Du vermisst den Menschen, das ist doch die Wahrheit
Papier ist geduldig, aber nur in der Politik
Du hast die Nase voll, das ist die Thematik

Entrichtest jährlich die Kammerbeiträge brav
Willst die ABDA noch nicht mal sehen im Schlaf
Ständig wirst du vertröstet auf bessere Zeiten
So wird das nie was mit euch, musst du begreifen

Du bist erschüttert, wenn keiner vertraut in deine Kompetenz,
Du täglich dem Kunden erklären musst die Preisdifferenz
Und wenn an deinem Wissen zweifeln so manche Ärzte
Regst du dich zu Recht auf: Wer ist hier der Experte?

Die Kasse meckert und will nicht 10.000 Euro überweisen
Mit dem Geld könntest du die Welt bereisen!
Selbst aber freitags um 18 Uhr nicht erreichbar für dich
Wenn der Patient Hilfe braucht, bist du dennoch freundlich

Von der Creme bis zur Umschau, alles muss in die Tüte
Für die Menschen selbstverständlich, das ist doch keine Güte!
Für die kleine Sophie hast du immer ein Traubenzucker
Hast ein Lächeln im Gesicht, auch wenn es Probleme gibt mit dem Drucker

Denn der Privatpatient braucht gleich mehrere Kopien
Bei leerer Patrone musst du erstmal dran ziehn
Deine nette Kollegin im Backoffice hilft dir beim Einlegen
Solange suchst du die Medikamente auf deinen Wegen

Der eine wechselt zur Kasse, der andere in die Industrie
Du bleibst der Apotheke treu, für was ganz Neues fehlt dir die Energie
Höhen und Tiefen, das hat auch der Apothekenalltag
Dazu gehört auch ein Notdienst, wie an diesem Sonntag

Wenn etwas fehlt, scheust du dich nicht, bei Kollegen anzurufen
Menschen mit Medikamenten zu versorgen, kein anderer ist dazu berufen
Das kannst du nachts, am Tage und auch am frühen Morgen
Denn nur bei dir fühlen sich die Arzneimittel geborgen!