Zytostatika

Neue Retax-Falle in Hilfstaxe Tobias Lau, 22.10.2018 13:22 Uhr

Berlin - 

Die Arbeitsgemeinschaft Parenterale Zubereitungen (Arge PareZu) sieht im kürzlich geschlossenen Vergleich zur Hilfstaxe ein „untragbares und unkalkulierbares Risiko“. Denn die von den Apotheken kritisierte Rückwirkung ab November 2017 mag zwar vom Tisch sein, laut Arge PareZu birgt die getroffene Vereinbarung zur Preisabfrage durch die Kassen jedoch ebenfalls erhebliche wirtschaftliche Gefahren für die Apotheken. Es stelle sich die Frage, „wer unter diesen Bedingungen künftig das Risiko der Zubereitung neuer Wirkstoffe überhaupt noch eingehen sollte?“

Der Vergleich von Mitte Oktober war das vorläufige Ende des jahrelangen Streits zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband um die Preisvereinbarung für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie, die Hilfstaxe. Gegen einen im Januar gefällten Spruch der Schiedsstelle hatte der DAV geklagt, weil er nach dessen Ansicht die Apotheker massiv benachteiligte. Dabei rieb sich der Verband vor allem an der Rückwirkungsklausel, durch den die Abrechnungen ab November 2017 zu den alten, nicht mehr gültigen Konditionen erfolgen sollen.

Die Rückwirkungsklausel wurde durch den Vergleich aus der vergangenen Woche aufgehoben. „Da es sich bei der rückwirkenden Preissenkung ohnehin um einen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmaligen Vorgang gehandelt haben dürfte, ist dies prinzipiell zu begrüßen“, zeigt sich die Arbeitsgemeinschaft ebenso zufrieden wie der DAV. Im Gegensatz zum Verband bemängeln die Apotheker jedoch, dass lediglich diese „unsinnige Rückwirkung gegen eine andere“ ersetzt worden sei, deren Konsequenzen „zum jetzigen Zeitpunkt weder abgeschätzt, noch vermieden werden“ könnten.

Denn dem GKV-Spitzenverband wurde in der Einigung zugestanden, dass er für alle Neueinführungen nach dem 1. Februar 2018 erst eine Preisabfrage durchführen kann und die dann vereinbarten Preise rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Markteinführung gelten. Die Crux daran: Zum Zeitpunkt der Markteinführung können die Apotheken weder künftige Rabatte vorhersehen, die der GKV-Spitzenverband nach 12 oder auch 24 Monaten ermittelt, noch können sie diese Rabatte rückwirkend erzielen. „Preisverhandlungen sind seit jeher dynamische Prozesse und Preise sinken langsam, mit der Zeit, nicht am Tag der Markteinführung“, erinnert die Arge PareZu.

Zwar könne bei der Formulierung der Vergleichsvereinbarung auch strittig sein, dass weiterhin innerhalb von 12 Monaten durch die Krankenkassen retaxiert werden muss. Sollte dem jedoch so sein, dann würden die Apotheken „die finanzielle Unsicherheit von drei definierten Monaten rückwirkender Preissenkung bei einer definierten Menge an Wirkstoffen und in definierter Höhe“ eintauschen gegen „eine unbefristete, jeweils mindestens zwölfmonatige finanzielle Unsicherheit bei einer unbekannten Anzahl an künftigen Wirkstoffen und in unbekannter Höhe, die rückwirkend wahrscheinlich die erzielten Rabatte deutlich übersteigt“, so die Arbeitsgemeinschaft.

Außerdem sei vor allem der letzet Punkt so unscharf formuliert, dass er jede Menge Spielraum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen lasse, „die leicht die Finanzierung des spezialisierten Großhandels und der gesamten Distributionskette in Frage stellen könnten“. Dass das von einer der beteiligten Parteien so gewollt sein könnte, will die Arge explizit nicht unterstellen. Im Ergebnis sei es dennoch „hoch riskant und potentieller Anlass weiterer existenzbedrohender Auseinandersetzungen“.

Die Arge PareZu hatte sich im Frühjahr in Bayern als Reaktion auf den Schiedsspruch zur Hilfstaxe gegründet. 21 Zyto-Apotheker um den Inhaber der Erdinger Sempt-Apotheke, Dr. Fritz Stadler, und den Inhaber der Bahnhof-Apotheke in Freilassing, Dr. Thomas Wellenhofer, hatten sich zusammengefunden, um in einer Resolution neue Rahmenbedingungen für die Zyto-Herstellung zu fordern. Sie repräsentieren gut die Hälfte der 40 Zyto-Apotheken im Freistaat, betonen aber, nicht in Konkurrenz zum DAV oder dem Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) zu stehen.