VISION.A

Gesundheitsversorgung: Alles wird anders – und keiner kriegt's mit Marion Schneider, 19.02.2018 13:59 Uhr

Berlin - 

„Die zweite Welle der Digitalisierung ist in den USA gerade in vollem Gange“, sagt Spiegel-Korrespondent Thomas Schulz. Damit meint er die digitale Datenmedizin. Bei VISION.A, der Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC und Apotheken Umschau, wird der Silicon-Valley-Experte über dieses Thema sprechen. Tickets sind jetzt erhältlich.

In Deutschland steht das Thema digitale Datenmedizin nicht besonders im Fokus, im Silicon Valley forschen aber bereits Hunderte Start-ups zu dem Thema. In der Medikamentenentwicklung werden Maschinen zur Auswertung und Analyse von Daten eingesetzt, zum Beispiel in der Genomanalyse oder der Immunonkologie. „Ein Computer kann an einem Tag eine Milliarde Moleküle durchrechnen“, erklärt Schulz. Früher wurde diese Tätigkeit von Chemikern ausgeführt, die dafür erheblich länger brauchten.

Die Pharmaunternehmen sehen die Entwicklungen im Silicon Valley nicht als Konkurrenz – im Gegenteil. „Sie können die Daten nicht selbst auswerten und kooperieren mit den Tech-Firmen“, sagt Schulz. Unter den deutschen Konzernen gehört Merck den Vorreitern. Die Darmstädter kooperieren seit einem Jahr mit Palantir, einem Unternehmen, das Software für Datenintegration und -analyse entwickelt. Zunächst will Merck die Technologie bei der Entwicklung von immunonkologischen Medikamenten einsetzen, später dann in allen Unternehmensbereichen. „Das Geheimnis, warum Medikamente bei einem Patienten funktionieren und bei einem anderen nicht, liegt in den Daten“, so Schulz.

Die Auswertung von Daten ist ein Milliardengeschäft und gibt den Tech-Konzernen die Möglichkeit, das zu tun, wozu sie angetreten sind. Laut Schulz haben Google, Amazon & Co. zwei Philosophien: zum einen Geld verdienen und zum anderen die Welt verändern. „Man kann keinen größeren positiven Einfluss haben, als ein neues Medikament zu entwickeln“, sagt er. Darum investieren die Konzerne im Moment enorme Summen in die digitale Datenmedizin und gründen eigene Tochterunternehmen. Wenn Start-ups ein erfolgreiches Produkt entwickeln, werden sie häufig von großen Konzernen aufgekauft.

Diese Entwicklung wird in der Zukunft zu Problemen führen, ist sich Schulz sicher. „Das wird ähnlich sein wie bei der Software heute“, sagt er. 20 bis 30 Konzerne werden die Regeln und die Preise bestimmen. „Das ist eine Bedrohung.“ Deutsche Start-ups haben es schwer, auf Augenhöhe mit den US-Kollegen zu spielen. „Sie haben die gleichen Ideen, aber ihnen fehlt das Kapital“, sagt Schulz. In Deutschland sei ein kleines Unternehmen froh, wenn es eine Millionen Euro Förderung sichern könnte, im Silicon Valley greifen Unternehmen mit Potenzial hundertmal so viel ab. „Da kann man nicht gewinnen und muss die Amerikaner in Anspruch nehmen.“

Die Politik solle Innovationen fördern und es den Unternehmen leichter machen, fordert Schulz. Man müsse die Gesundheitsindustrie in den Mittelpunkt stellen. „Das ist die nächste große Revolution des Gesundheitswesens und die geht an vielen vorbei“, sagt Schulz. Das Bewusstsein dafür müsse in der Bevölkerung noch geschaffen werden.

Er ist überzeugt, dass Patienten bereit wären, ihre Daten für lebensrettende Technologie herzugeben, beispielsweise Sensoren für Langzeit EKG-Beobachtungen. Kurz vor der Marktreife stünden auch Sensoren, die in der Badewanne angebracht werden und den Körper mittels Ultraschall auf Zysten abtastet. Ende des Jahres stehen laut Schulz die ersten medizinischen Zulassungen für diese Entwicklungen an. In den kommenden drei Jahren wird die Technologie den Markt erobern. „Das ist natürlich ein großer Unterschied zu den Schrittzählern, die bisher auf dem Mark sind.“

Schulz berichtet seit 2012 aus dem Silicon Valley über Wirtschafts- und Internetthemen. 2015 veröffentlichte er das Buch „Was Google wirklich will. Wie der einflussreichste Konzern der Welt unsere Zukunft verändert“, im Mai folgt „Zukunftsmedizin. Wie das Silicon Valley Krankheiten besiegen und unser Leben verlängern will“. Schulz studierte Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft und war als Gastdozent in Harvard tätig. Seit 2001 schreibt er für den Spiegel, 2008 ging er als Wirtschaftskorrespondent in den USA und berichtete zunächst aus New York über die Finanzkrise.

Neben Schulz werden sich bei VISION.A noch weitere Top-Speaker im Radialsystem V die Klinke in die Hand geben. Kai Diekmann, ehemaliger Herausgeber und Chefredakteur der Bild, und Christoph Keese, geschäftsführender Gesellschafter von Axel Springer hy, berichten ebenfalls von ihren Erfahrungen im Silicon Valley. Mit Autorin und Grimme-Preistägerin Thea Dorn steht ein Schwergewicht der Sozialkritik auf der Speaker-Liste. Sie beschäftigt sich mit „Künstlicher Intelligenz und echter Vernunft“ und Professor Dr. Klemens Skibicki spricht über „Digitale Transformation – mehr Kopfsache als Technik“. Blogger und SPON-Autor Sascha Lobo darf auch bei der dritten VISION.A nicht fehlen.

Natürlich werden auch wieder die begehrten VISION.A Awards verliehen. In Kürze entscheidet die Jury, welche der mehr als 50 Bewerber auf dem Siegertreppchen stehen. Vor der Verleihung sorgt Kabarettist Timo Wopp für Stimmung. Am zweiten Veranstaltungstag stehen Smartlabs und Workshops auf dem Programm. Beim Agency Slam wird über die Zukunft der Pharma- und Apothekenkommunikation diskutiert. Dr. Hajo Schumacher hält als Moderator den roten Faden in der Hand. Informationen und Tickets zur Veranstaltung gibt es hier.