„Jesus ist der Arzt und Apotheker deines Vertrauens“

Pharmazie- und Theologiestudium: Der Apotheker-Priester

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Berlin -

„Jesus ist der Arzt und Apotheker deines Vertrauens“, gab der Innsbrucker Bischoff Hermann Glettler dem frisch gebackenen Priester Leopold Jürgen Baumberger bei seiner Weihe mit auf den Weg. Und die Formulierung war nicht aus der Luft gegriffen: Baumberger ist nämlich Apotheker. Doch kurz nach dem Einstieg ins Berufsleben entschied er sich für einen anderen Weg und studierte Theologie. Komplett hat er die Brücken aber nicht abgerissen: Sein pharmazeutisches Wissen nützt ihm bis heute – nicht zuletzt bei seiner Diplomarbeit.

Dass sein Pharmaziestudium schlecht gelaufen wäre, kann man wohl nicht behaupten: „Ich hatte sogar schon eine bezahlte Dissertationsstelle in Aussicht“, sagt der heute 32-Jährige, der von 2005 bis 2010 in Graz studiert hat. „Das Pharmaziestudium hat mir wirklich unglaublich Spaß gemacht.“ Auch die Arbeit als Apotheker habe ihm sehr gelegen. In der Linzer Einhorn-Apotheke hatte er sein sogenanntes Aspirantenjahr, das österreichische Pendant zum PJ, absolviert. Doch Baumberger sah seine Berufung woanders: „Eigentlich war die Grundidee schon lange vorhanden, schon vor der Matura. Da war ich aber noch nicht reif genug.“

Also entschloss er sich zum Pharmaziestudium. Er fand Chemie schon immer spannend, wollte aber unbedingt mit Menschen arbeiten – also entschied er sich für die Apotheke. Sein Glaube aber litt darunter nicht, die Sehnsucht nach einem Lebensweg in der Katholischen Kirche ließ ihn nicht los. Das machte die Entscheidung aber nicht unbedingt leichter. „Das war schon ein ziemliches Ringen mit mir selbst“, erinnert er sich an die Zeit. „Ich hatte ein fertiges Studium, das sehr aufwändig war, und sehr gute Berufsaussichten.“ Doch letztendlich konnte er sich durchringen. „Die Entscheidung ist dann dadurch gefallen, dass ich nichts zu verlieren hatte. Ich hatte ja schon eine fertige Ausbildung und jederzeit in die Pharmazie zurückkehren können.“

Also ging der frisch gebackene Apotheker ins Linzer Priesterseminar und von dort zum Theologiestudium nach Innsbruck. Die Pharmazie begleitete ihn trotzdem: Auch Theologiestudenten müssen sich oft etwas dazu verdienen. Also arbeitete er in den Semesterferien regelmäßig als Urlaubsvertretung in mehreren Apotheken.

Inhaltlich half ihm das Pharmaziestudium erwartungsgemäß recht wenig bei der Theologie. „Der Bereich und die Fragen, auf die man schaut, sind völlig andere. Während sich die Naturwissenschaft mit konkreten Abläufen beschäftigt, geht es in der Theologie um das Warum und die große Richtung, in die alles geht“, erklärt er. Und welches Studium war anspruchsvoller? „In der Pharmazie waren die Prüfungen schwerer. Aber dafür ist man in der Theologie immer damit konfrontiert, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Das ist viel schwieriger als 1000 Seiten Pharmazieskript auswendig zu lernen.“

Sein pharmazeutischer Hintergrund ließ ihn dennoch nicht los und so schrieb er seine Diplomarbeit quasi über einen Überschneidungsbereich beider Fachrichtungen: die therapeutische Wirksamkeit von Gebet und Spiritualität. Insbesondere ging es dabei um eine Stelle im Alten Testament, genauer im Buch Jesus Sirach, Kapitel 38. Die befasst sich sozusagen mit der alttestamentarischen Rezeptur: „Er selbst gab den Menschen Wissen, um durch seine Wundertaten gerühmt zu werden. Durch sie hat er geheilt und ihr Leid genommen“, heißt es da. „Mit diesen wird der Salbenmischer eine Mischung anfertigen. Seine Werke sind nicht abgeschlossen und sein Friede liegt auf dem Angesicht der Erde.“

Baumberger beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit den damaligen Diskurs im Judentum, das Buch entstand vor dem Jahr 175 vor Christus. „Das Problem war damals, dass das konservative Judentum die hippokratische Medizin ablehnte und sagte, dass allein Gott heilen könne“, erläutert er. „Die fortschrittlicheren Juden wiederum betonten, dass auch die Medizin und das menschliche Wissen auf göttliche Schöpfung zurückgehen.“ Im Buch Jesus Sirach wird der Mensch schließlich dazu aufgefordert, auch den Arzt und den Medizin zu ehren. „Der Herr hat aus Erde Heilmittel erschaffen, ein kluger Mann wird sie nicht ablehnen“, so die Heilige Schrift.

„Dabei konnte ich in geringem Maß auch mein Wissen aus dem Pharmaziestudium einbringen, denn die Diplomarbeit enthält auch einige Diskurse in die Medizin- und Arzneimittelgeschichte der damaligen Zeit“, erzählt er. Doch auch die Arbeitserfahrung als Apotheker habe ihm bisher genutzt. „Als Priester wird man schnell in eine Ecke gestellt: Man habe keine Ahnung vom echten Leben und so weiter. Studium und Arbeit geben da eine ganz andere Standfestigkeit.“ Auch im Umgang mit Menschen könne er immer wieder auf sein heilberufliches Fachwissen zurückgreifen, beispielsweise bei der Betreuung alter, kranker oder drogenabhängiger Menschen.

Als Ordensmann im Prämonstratenstift Wilden zählt die Pfarrseelsorge zu seinen Kernaufgaben. Ab dem ersten September übernimmt er dann die drei Gemeinden Sellrain, St. Sigmund und Gries im Tiroler Sellraintal. Und er spielt schon mit dem Gedanken, in Zukunft seine Apothekerkenntnisse wieder anzuwenden. „Ich überlege, eine Dissertation in Theologie zu schreiben und die beiden Gebiete darin zu verbinden. Aber das steht noch in den Sternen.“ Auch zumindest in Teilzeit wieder als Apotheker würde ihn „grundsätzlich freuen“, sei aber wohl mit dem Arbeitspensum nicht vereinbar. Denn Apotheker und Priester haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: „Der Priestermangel ist ein großes Thema in Österreich.“

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