Lieferschwierigkeiten

Alleine im „Kontingentiert“-Dschungel

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Berlin -

Lieferschwierigkeiten, Kontingentierung, Vertrauensprobleme auf allen Seiten. Das Gefühl, dass es sich bei Arzneimitteln im ethischen Sinne um eine besondere Ware handelt, hat Anja schon lange nicht mehr.

„Wir bekommen diesen Monat kein Ramipril mehr vom Großhandel!“ Anja Alchemilla schaut fassungslos auf den Lieferschein des Großhändlers, den ihr ihre PKA hinhält. Dort steht es schwarz auf weiß: „Kontingent für den Zeitraum bis 08.06.2018 erfüllt.“

„Die haben uns Ramipril kontingentiert? Spinnen die jetzt total?“ Anja nimmt den Telefonhörer in die Hand und ruft wütend den Kundenbetreuer an. Dieser versteht ihren Zorn. Schließlich ist es ja Anjas Problem, wenn die Krankenkasse sie retaxiert, weil sie die Rabattverträge nicht einhalten kann. Aber der Hersteller liefert angeblich nicht genügend Ware aus.

Beim Hersteller wird der schwarze Peter zurückgespielt: Der Großhandel würde genügend Ware erhalten, diese aber wohl in andere Kanäle verschwinden lassen. Man könne aber gerne direkt liefern, mit 3 Prozent Rabatt ab Menge 100. Anjas Filiale braucht zwar Ramipril, aber nicht gleich so viel. Nach einem kurzen Anruf in der Hauptapotheke bestellt Anja dennoch zähneknirschend die große Menge. „Wir teilen sie dann auf“, erklärt sie der PKA. „40 behalten wir, 60 gehen an das Mutterschiff."

Schlimm, dass es schon so weit ist, dass man nicht mal mehr weiß, wem man hier vertrauen kann! Anja kann sich beides vorstellen: Einmal tatsächlich den Verkauf durch den Großhandel an andere Kanäle, die mehr zahlen können als die deutschen Apotheken. Und einmal die so genannte „Disintermediation“ oder wie man inzwischen gerne zitiert: „Cutting out the middleman“. Also den Zwischenhändler aus der Wertschöpfungskette herausnehmen, um mehr Gewinn für sich selbst einzubehalten. Aber darf man mit Arzneimitteln genau so handeln wie mit jeder anderen Ware? Ist das nicht unethisch? Dann ist irgendwann der Weg frei, diese auch künstlich zu verknappen, um den Preis hochzutreiben. Und was ist mit dem im AMG festgelegten Sicherstellungsauftrag?

Von der Politik erwartet sich Anja keine Hilfe, denn eine entsprechend gestellte Kleine Anfrage der Grünen vor zwei Jahren wurde nur sehr unbefriedigend beantwortet. Der Sicherstellungsauftrag ist demnach Ländersache, und ob der durch die bewusste Kontingentierung gefährdet ist, unterliege einer Einzelfallprüfung.

Also wieder einmal Kunden vertrösten und warten, bis die Lieferung vom Hersteller eintrifft. Man ist ja schon froh, dass die Medikamente überhaupt in absehbarer Zeit ankommen. Kürzlich hat ein Hersteller auf die Nachfrage, wann die Lieferprobleme beendet sind, geantwortet: „Voraussichtlich Dezember 2019.“ Dem Kunden DAS zu erklären, war bedeutend schwerer...

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