Pharmakanzleien

Dierks: Neustart ohne Bohle

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Berlin -

An der Schnittstelle von Gesundheitswirtschaft, Recht und digitalem Wandel entsteht gerade ein potenzieller neuer Player in Berlin: Christian Dierks will mit Dierks+Company „das klassische Kanzleikonzept ins digitale Zeitalter führen“, wie er selbst sagt. Der Arzt und Rechtsanwalt hat Ende vergangenen Jahres Dierks+Bohle verlassen, um eine neue Kanzlei aufzubauen.

Es sei ihm ein besonderes Anliegen, innovative Unternehmen zu unterstützen, ihre Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. „Dazu muss ich aber auch als Kanzlei innovativ sein“, betont Dierks. Das sei mit seiner bisherigen Kanzlei – einer der renommiertesten „Pharmaboutiquen“ in Deutschland – nicht möglich gewesen; die Trennung sei aber dennoch im Guten über die Bühne gegangen. „Wir sind nach wie vor freundschaftlich verbunden und ich empfehle die Kollegen auch für die klassische Rechtsberatung im Arzt-, Apotheken- und Krankenhaussektor.“

Mit seinem neuen Unternehmen will er andere Wege gehen. Das Beratungsunternehmen Dierks+Company ist auf die digitalisierte Gesundheitswirtschaft spezialisiert. Denn darin sieht er die Zukunft der Branche: „Gute Medizin braucht eine richtige Diagnose – und die wiederum braucht die richtigen Daten“, so der promovierte Facharzt und Rechtsanwalt. Den Mandanten soll dabei Beratung von der klinischen Prüfung über Prozesse wie die AMNOG-Nutzenbewertung und Themen wie IT-Recht angeboten werden, alles zugeschnitten auf die Bedürfnisse digitalisierter Märkte.

Das soll sich auch in den Arbeitsprozessen widerspiegeln: Aus einer Kanzlei wird ein Projektsteuerungsunternehmen, in dem die Anwälte gemeinsam mit Wirtschaftsingenieuren, Informatikern und anderen Spezialisten integrierte Service anbieten wollen. Aus Mandaten werden Projekte, die mit den Geschäftspartnern digital auf Augenhöhe entwickelt und umgesetzt werden. Das gesamte Unternehmen arbeite papierlos, es gebe weder Akten noch Bücher, versichert Dierks.

14 Mitarbeiter hat er schon, ab April sollen es 18 sein. Alle von ihnen sind in einer GmbH angestellt, vom bei Kanzleien üblichen Partner-Prinzip hat sich der 57-Jährige verabschiedet. „Wir sind keine Gruppe von hoch individuellen Rechtsanwälten, die sich nur die Räumlichkeiten teilen, sondern verfolgen ein gemeinsames Unternehmensziel“, erläutert er. Der Fokus der Beratung liege „beyond legal“, also dort, „wo die traditionelle Rechtsberatung aufhört“.

Denn Vieles sei derzeit im Wandel. So tritt im Mai die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Die werde sich durch eine Fülle von entstehenden Rechtslücken auszeichnen, so Dierks, der 1992 zu Datenschutz in der Medizin promovierte und später zum Thema Telemedizin habilitiert wurde. Dutzende Öffnungsklauseln ermöglichten demnach die Ausgestaltung durch unterschiedliche Gesetzgeber, was vor allem in föderalen Systemen wie Deutschland zu einem Flickenteppich mit vielen Graubereichen führen werde. Insbesondere für die Verbundforschung könnten daraus erhebliche Hindernisse entstehen. Dierks sieht die Gefahr, dass es die Unterschiede in der Umsetzung mittelfristig „extrem schwierig machen, Gesundheitsdaten zu verarbeiten“.

Seine Anregung: Er will eine Initiative gründen, die die rechtliche Harmonisierung vorantreibt. Denn der juristische Rahmen für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten müsse vereinheitlicht werden, um die technischen Möglichkeiten für Patienten zu nutzen. „Wir brauchen ein neutrales System, das es den Patienten ermöglicht, die Daten aus den Schnittstellen zu sammeln und zentral auszuwerten“, fordert er. Wie genau das aussehe, ob es ein Privatunternehmen oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, da habe er noch keine feste Vorstellung. Doch seine Ambitionen sind nicht nur juristischer Natur. In Berlin-Mitte entstehen derzeit die Räumlichkeiten des neuen Unternehmens. Das Besondere: Der „Helix_hub“ ist auch als Open Work Space konzipiert. Junge Unternehmen und Start-ups sollen sich dort untereinander und mit den Anwälten vernetzen können. „Damit wollen wir eine neue Innovationskultur in der Healthcare- und Life-Science-Branche etablieren“, bewirbt Dierks das Konzept.

Dierks' alte Kanzlei Dierks+Bohle war neben Ehlers, Ehlers & Partner eine der wichtigsten Pharmakanzleien in Deutschland. Gutachten wurden unter anderem für die Herstellerverbände, Roche, die Europa Apotheek und die Zyto-Apotheker erstellt. Bei ihr verbleiben nach seinem Weggang noch zehn Partner und zwölf Associates, zwei weitere Associates sind zu nicht näher genannten Unternehmen gewechselt. Dem Fachmedium Juve zufolge verschiebt sich der Schwerpunkt der Kanzlei mit den Weggängen stärker in Richtung Beratung von Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Apotheken.

Dem digitalen Wandel in der Gesundheitsbranche widmet sich auch VISION.A, die Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC und Apotheken Umschau. Neben Kai Diekmann, dem ehemaligen Herausgeber und Chefredakteur der Bild, und Thomas Schulz, dem Silicon-Valley-Korrespondenten des Spiegel, berichten dort Christoph Keese, geschäftsführender Gesellschafter von Axel Springer hy, und andere hochkarätige Speaker aus der Branche von ihren Erfahrungen im Silicon Valley. Mit Autorin und Grimme-Preisträgerin Thea Dorn steht ein Schwergewicht der Sozialkritik auf der Speaker-Liste. Sie beschäftigt sich mit „Künstlicher Intelligenz und echter Vernunft“ und Professor Dr. Klemens Skibicki spricht über „Digitale Transformation – mehr Kopfsache als Technik“.

Blogger und SPON-Autor Sascha Lobo darf auch bei der dritten VISION.A nicht fehlen. Am zweiten Veranstaltungstag stehen Smartlabs und Workshops auf dem Programm. Beim Agency Slam wird über die Zukunft der Pharma- und Apothekenkommunikation diskutiert. Dr. Hajo Schumacher hält als Moderator den roten Faden in der Hand. Informationen und Tickets zur Veranstaltung gibt es hier.

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