Lieferengpässe

Remifentanil: Krisensitzung beim BfArM

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Berlin -

Der Wirkstoff Remifentanil hat Vorteile, auf die vor allem niedergelassene Ärzte ungern verzichten. Nun mangelt es an dem Mittel. Große Gefahren für Patienten sieht die Fachgesellschaft zwar nicht. Sauer auf die Pharmaindustrie sind die Narkoseärzte trotzdem.

Lieferschwierigkeiten bei einem Narkosemittel verärgern Ärzte und rufen die Behörden auf den Plan. Seit Monaten gibt es Nachschubprobleme bei Präparaten mit dem Wirkstoff Remifentanil. Er wird vor allem bei ambulanten Operationen und Kindern eingesetzt. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind die Probleme bekannt – an diesem Donnerstag sind weitere Gespräche angeberaumt.

Zuerst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) über die Engpässe berichtet. In manchen OP-Zentren könne nur noch zwei Wochen lang operiert werden, dann seien die letzten Vorräte aufgebraucht. Der Grund für die Misere sei unbekannt. Über Verunreinigungen bei Grundstoffherstellern werde ebenso spekuliert wie darüber, dass die Produkte aus wirtschaftlichen Gründen in andere Märkte geliefert würden.

Vom BfArM hieß es, die Nachschubprobleme seien seit Ende 2016 bekannt. Im März habe es eine erste Gesprächsrunde mit allen Akteuren gegeben, am Donnerstag stehe eine weitere Abstimmungsrunde an. „Ziel ist es, möglichst schnell die Versorgung aller Patienten sicherzustellen“, sagte ein Sprecher.

Das Wirkstoff Remifentanil wird als Originalpräparat unter dem Produktnamen Ultiva vertrieben. Das Narkosemittel hat laut BfArM einen Marktanteil von 80 Prozent. Zwar seien auch rund ein Dutzend Generika auf dem Markt, diese könnten den Lieferengpass aber nicht auffangen. Laut BfArM-Sprecher wird der Wirkstoff zwar inzwischen wieder produziert, neue Ware werde ausgeliefert, „es kommt aber weiter zu Verzögerungen“.

Der größte Lieferant, GlaxoSmithKline (GSK) mit deutschem Sitz in München, war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die FAZ zitiert einen GSK-Sprecher mit den Worten, 2016 seien Chargen wegen Qualitätsmängeln zurückbehalten oder vernichtet worden. Die Probleme seien aber behoben: „Wir sind wieder voll lieferfähig.“

Bei Remifentanil handelt es sich um ein Opioid-Anaesthetikum, das sich besonders durch schnelles An- und Abfluten auszeichnet. Naloxon kann als Antidot eingesetzt werden. Ultiva ist in den Dosierungen zu 1, 2 und 5 mg auf dem Markt. Generika gibt es von Puren, B. Braun, Hameln, Fresenius Kabi, Hexal sowie Teva und Carinopharm. Andere Hersteller wie Pfizer, Mylan, Hospira, Noridem, Orion und Biokanol sowie die auf Anästhetika spezialisierte Biotechfirma Paion hatten sich wegen der niedrigen Preise von dem Wirkstoff verabschiedet.

Remifentanil habe entscheidende Vorteile gegenüber anderen Narkosemitteln, sagte der Präsident des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten, Professor Dr. Götz Geldner. „Sie sind gut steuerbar beim An- und Abfluten.“ Der Patient könne schnell in tiefe Narkose versetzt werden und wache schnell wieder auf. Das sei vor allem bei ambulanten Operationen wichtig, nach denen die Patienten wieder nach Hause gehen müssten, aber auch bei Kindern. In Kliniken gebe es mehr Alternativen. Krankenhäuser würden wohl auch bevorzugt beliefert, weil sie in Einkaufsverbünden größere Mengen abnähmen.

Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) fordert, „dass in Deutschland eine Basisversorgung mit essenziellen Medikamenten sichergestellt ist“. Laut Geldner fällt Remifentanil für ambulante OP-Zentren eindeutig in diese Kategorie. Von Kollegen in der Schweiz wisse er, dass es dort keine Probleme gebe – dort würden höhere Preise gezahlt. „Wir wundern uns.“

Allem Ärger zum Trotz: „Patienten müssen sich keine Sorgen machen“, sagte Geldner. Weder müssten Operationen abgesagt werden noch würden Patienten Schaden nehmen. Durch die Umstellung auf andere Narkosemittel müsse man aber Abläufe ändern, etwa die Nachbeobachtung nach dem Aufwachen verlängern. „Das ist, wie wenn Sie gewohnt sind, einen Brief mit dem Computer zu schreiben. Wenn der kaputt ist, müssen Sie eben wieder die Schreibmaschine nehmen.“

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