Lagerwertverlust

1285 Euro: Janssen lässt Apotheker sitzen

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Berlin -

Alle 14 Tage wieder, jeweils zum 1. und 15. des Monats, sorgen Absenkungen der Listenpreise und Festbeträge für Lagerwertverluste. Einen für Apotheken dramatischen Preisrutsch gab es zur Monatsmitte bei Symtuza (Darunavir/Cobicistat/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid) von Janssen. Der Preis der Dreimonatspackung wurde um knapp 950 gesenkt, ausgleichen will der Konzern die Differenz nicht. Ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen läuft Sturm. Dabei geht es nicht nur um viel Geld, sondern auch um die Versorgung der Patienten.

Am 27. Juli informierte Janssen in einem Schreiben über eine Preisänderung für Symtuza, die am 15. August vollzogen werde. Apotheker wurden darauf hingewiesen, „die gesetzliche Reduktion des Erstattungsbetrages bei Ihrem Bestellverhalten sowie Ihrer Lagerhaltung zu berücksichtigen, um eventuelle Lagerverluste zu vermeiden“.

„Ich bin seit 20 Jahren Apotheker. In der ganzen Zeit war ich noch nie von einer so hohen Preisabsenkung betroffen“, erzählt der Apotheker. Die Rede ist von insgesamt 1285 Euro, verteilt auf zwei Packungen. Der Apotheker hält für seine Kunden Symtuza zu 30 und 90 Tabletten vorrätig, für diese fuhr er ein dickes Minus ein. Berücksichtigen konnte er nichts, denn die Ware war schon vorrätig. „Es ist utopisch, das Arzneimittel so schnell abzuverkaufen. Vor allem in der Urlaubszeit, da geht eine Preisänderung auch mal durch.“

„Etwa 70 Prozent der Hersteller gleichen den Lagerwertverlust aus, einige wenige Originalhersteller tun dies allerdings nicht“, erzählt der Pharmazeut. Dass Janssen den Lagerwertverlust nicht ausgleicht, ist für den Apotheker „katastrophal und dreist“. Würde jedes Unternehmen so agieren, wären viele Existenzen bedroht. „Um das Minus von fast 1300 Euro auszugleichen, muss ich viel Aspirin verkaufen.“

Etwa drei Kunden versorgt der Apotheker mit Symtuza. Die Dreimonatspackung hat er gestern abgegeben – mehr als eine Woche zu spät. „Ich wurde auf einen Schlag enteignet. Dabei verdiene ich an dem Arzneimittel sowieso nicht viel“, erzählt er. „Der kleine Apotheker kann sich ja nicht wehren.“ Das will er nicht auf sich sitzen lassen und kämpft gegen den finanziellen Verlust. Bei Janssen ist er allerdings abgeblitzt, hier beharrt man auf dem Standpunkt, den Verlust nicht auszugleichen. „Janssen hat entschieden, Preisanpassungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie dem AMNOG-Prozess notwendig sind, nicht zu erstatten.“ Auch wisse man von keinen weiteren Beschwerden von Apothekern, habe die Mitarbeiterin am Telefon mitgeteilt. „Sie hat mich einfach angelogen.“ Denn Dirk Vongehr von der Kölner Paradies-Apotheke hatte sich schon zum Monatsanfang an den Customer Service gewandt.

Von den Argumenten des Apothekers zeigte sich die Mitarbeiterin ebenso unbeeindruckt. „Wir Apotheker haben den gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Und zwar schnell. Wenn ich mir aus Angst vor einem finanziellen Risiko nur noch wenige Arzneimittel vorrätig halte, ist die Versorgung gefährdet. Vor allem mit Blick auf lebensrettende Arzneimittel wie HIV-Medikamente.“ Preissenkungen beschreibt der Apotheker als „unkalkulierbares Risiko“.

Der Apotheker wünscht sich ein Einlenken von Janssen und hofft auf einen Ausgleich oder bei der nächsten Preissenkung zumindest auf mehr Vorlaufzeit. Realistischer als die eingeräumten 18 Tage seien zwei bis drei Monate. „Dann kann der Artikel auf ,Abverkauf‘ gesetzt werden und wird erst nach der Preisänderung wieder nachbestellt.“ Zwar wäre der Aufwand groß, aber immerhin eine „Krücke“ für die Apotheker.

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