So macht Bereitschaft Spaß

Apothekerin geht im Notdienst joggen

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Berlin -

Pharmazeuten müssen im Nacht- und Notdienst jederzeit dienstbereit sein. Die Aufenthaltspflicht kann mitunter anstrengend sein, gerade wenn zuvor eine normale Tagschicht geleistet wurde. „Das sind immens lange Tage“, sagt Theresia Weigel. Die Inhaberin der Theresia Apotheke in Brandenburg hat deshalb eine Befreiung vom Aufenthalt in der Offizin beantragt. Gestern war sie im Notdienst erstmals joggen und bediente zwischendurch sogar Kunden.

Zehn Kilometer in fünf Runden. Mit ihrem gestrigen Lauf ist Weigel zufrieden. Die Pharmazeutin freut sich besonders, weil sie am Sonntag zusätzlich Notdienst hatte. Früher sei die Kombination aus Sport und Arbeit undenkbar gewesen, sagt die Apothekerin. Wenn sie beispielsweise am Samstag ab 13 Uhr Notdienst hatte, musste sie in der Offizin sein, obwohl zwei weitere Betriebe jeweils rund fünf Kilometer entfernt bis 20 Uhr geöffnet haben.

Sie fragte bei der Apothekerkammer Brandenburg nach einer Lösung. „Die Versorgung wäre doch gewährleistet“, argumentierte sei. Doch die Kammer habe den Notdienst nicht ändern können, schlug jedoch die Befreiung von der Aufenthaltspflicht in den Apothekenbetriebsräumen während der Notdienstbereitschaft vor. Seit etwa vier Monaten ist Weigel nicht mehr an den Aufenthalt in ihrer Apotheke gebunden.

Apotheken können unter bestimmten Voraussetzungen Rufbereitschaft beantragen. Das ergibt sich aus § 23 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Dazu müssen sie einen Grund für die Befreiung von der Anwesenheitspflicht in den Apothekenräumen oder in deren unmittelbarer Nachbarschaft während der Notdienstbereitschaft angeben. Weigel wohnt beispielsweise gleich um die Ecke.

Die Inhaber müssen jedoch gewährleisten, dass die Abgabe von Arzneimitteln innerhalb von maximal zehn Minuten gewährleistet wird. Außerdem muss zwischen der Apotheke und dem Aufenthaltsort des Apothekenleiters eine funktionsfähige Wechselsprechanlage für den Apothekeneingang und eine Rufumleitung für das Apothekentelefon vorhanden sein. Diese müsse jederzeit den Kontakt mit Patienten, die die Notdienstbereitschaft in Anspruch nehmen, sicherstellen. Dies ist auch gegeben, wenn sich der Diensthabende gerade auf dem Weg zur Apotheke oder zurück befindet. Die Funktionsfähigkeit müsse vor jedem Dienst überprüft werden.

60 Euro und das Ausfüllen eines einseitigen Antrags später genießt Weigel ihre neue Unabhängigkeit. „Ich fühle mich viel freier“, sagt sie. Gestern entschloss sich die Hobbysportlerin gemeinsam mit ihrem Mann zu einem Herbstlauf. Da sie sich nicht mehr als zehn Minuten von der Apotheke entfernen darf, wählte das Paar eine zwei Kilometer lange Runde um die Apotheke. „Da komme ich alle zehn Minuten ohnehin an der Apotheke vorbei.“

Am Samstag stellte sie das Telefon bereits auf ihr Handy um und ließ für eine schnelle Versorgung auch die Computer laufen. Kurz bevor sie aufbrechen wollten, meldete sich um 9 Uhr der erste Kunde. „Ich kann am Handy sehen, ob jemand vor der Tür steht oder die Apotheke anruft“, sagt Weigel. Der Kunde habe telefonisch angefragt und gesagt, er sei nicht vor zehn Uhr vor Ort.

Als sie schließlich losliefen, kündigte sich nach einer Runde bereits ein weiterer Kunde an. Nachdem dieser versorgt war, ging es weiter. Nach vier Kilometern kam Weigel wieder an der Apotheke vorbei und sah bereits, dass ein neuer Kunde vor der Tür stand. Bevor dieser die Klingel betätigen konnte, joggte sie bereits heran.

Die Sonderregelung stößt bei den Kunden auf Verständnis. Dass Weigel sie ihm Jogging-Outfit versorgt, stört sie nicht. „Bisher hat noch keiner geschimpft“, sagt sie. Jeder habe Verständnis dafür gezeigt. Die Apotheke liegt in Schwielowsee bei Potsdam im Ortsteil Geltow. Dort kennt man sich. „Fußgänger haben schon darüber gelacht, dass ich wie ein Dé­jà-vu bin.“

Die Apothekerin genießt die Sonderregelung. „Ich bin nicht mehr an die vier Wände in der Apotheke gebunden“, sagt sie. Wenn sie einmal nicht joggen geht, fährt sie im Notdienst erst in die Offizin, wenn sich der erste Kunde anmeldet. „Dadurch macht man den Notdienst gerne.“ Das sei der „goldene Mittelweg“.

Gerade ihre Stammkunden sind ihre Sportleidenschaft gewöhnt. Wenn sie keinen Dienst habe, an der Apotheke vorbeijogge und sehe, dass viel los ist, springt sie spontan ein. „Ich frage meine Kunden dann immer, ob es sie stört, dass ich sie im Jogging-Outfit bediene“, sagt sie. Bisher sei das immer in Ordnung gewesen. „Der Kunde hat ja auch einen Nutzen. Er kommt schneller dran.“

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