Kommentar

Der unsichtbare Boss

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Berlin -

Wenn den Apothekern im Fernsehen eine ganze Sendung gewidmet wird, ist das für den Berufsstand normalerweise nicht besonders angenehm: Testkäufer führen das Personal in fingierten Beratungsgesprächen vor und am Ende geißelt Professor Glaeske oder ein gesundheitsökonomisches Substitut die Abgabe von Kombipräparaten. Gestern war es einmal anders: Die RTL-Show „Undercover Boss“ gewährte Einblicke in mehrere easy-Apotheken. Auch wenn das Ganze sehr versöhnlich abläuft und ausgeht, ist der Wert für die Apothekerschaft doch fraglich.

Positiv ist, dass gleich am Anfang auf das andauernde Problem des Apothekensterbens hingewiesen wird. Normalerweise wird im TV über die Apothekendichte in Innenstädten gemeckert. Jetzt kommt zumindest einmal zur Sprache, dass es nicht allen Apotheken gut geht. Freilich preist easy-Chef Lars Horstmann anschließend das eigene Konzept als Lösung an, aber darüber kann sich niemand aufregen.

Dennoch gab es schon im Vorfeld Kritik, dass sich Horstmann für das populäre Format hergab. Schließlich ist der easy-Vorstand mitnichten „Boss“ in den besuchten Apotheken. Dieser Eindruck könne aber beim unbedarften Zuschauer entstehen, der mit Fremdbesitzverbot, Franchise und Apothekenkooperationen nicht viel anfangen kann, so die Kritik.

Diese Befürchtung, so muss man leider festhalten, war berechtigt. Zwar wurde zu Beginn der Sendung pflichtschuldig darauf hingewiesen, dass die Apotheken von unabhängigen Apothekern geführt werden. Doch die Inhaber tauchen im Beitrag kein einziges Mal auf. Der Sender wird vermutlich auch nicht zugelassen haben, dass sein Boss-Konzept mit wiederkehrenden Klarstellungen verwässert wird. Wer bei RTL mitspielt, spielt nach den Regeln von RTL. Der Hinweis am Anfang der Sendung bleibt das apothekenrechtliche Feigenblatt.

So werden die Mitarbeiter aus den Apotheken am Ende der Sendung wie selbstverständlich in die Systemzentrale in Düsseldorf einbestellt. Dass alle vier vor dem Treffen mit dem Vorstand die Nervosität eines einfachen Angestellten vor einem überraschenden Personalgespräch zeigen, macht schon stutzig.

Horstmann tritt – nunmehr ohne Verkleidung – tatsächlich wie ein Chef auf. Und er bewertet die Mitarbeiter der Apotheken, was diese anscheinend nicht grundsätzlich befremdet. Die Undercover-Aktion wird erst im Verlauf des Gesprächs aufgeklärt. Das ist gleichzeitig der emotionale Höhepunkt der Sendung; mit Gutscheinen, Fortbildungen oder einer Reise für die gerührten Angestellten, beziehungsweise die Angestellten der Systempartner.

Dass Horstmann in einer Apotheke die mangelnde Qualität der Blenden an den Regalen feststellt und hier Abhilfe schaffen will, mag noch in die Kompetenz der Systemzentrale fallen. Schließlich gehört die Einrichtung der Apotheken zum einheitlichen Konzept. Aber der unebene Fußboden in der Lagerhalle der easy-Versandapotheke, dürfte doch eher in die Zuständigkeit des Inhabers Harald Steinert fallen.

Dessen Sache sollte es auch sein, die offensichtlich in die Jahre gekommene Fördertechnik zu modernisieren. Horstmann kündigt jedoch auch hier Abhilfe an. Es entsteht zumindest der Eindruck, dass die Investition auf sein Geheiß hin vorgenommen werden könnte. Auch die vermeintlichen „Personalgespräche“ dürften bei vielen Zuschauern den Eindruck einer Apothekenkette hinterlassen haben.

Bei all dem ist man natürlich auf die Fernsehbilder angewiesen. Manche Regieanweisung muss man sich dazu denken. Denn die Authentizität solcher RTL-Formate dürfte selbst von sehr gutgläubigen Menschen angezweifelt werden. Bei easy kann man die Teilnahme auf jeden Fall als vollen Erfolg feiern.

Die Beteiligten machten überwiegend einen sympathischen Eindruck und so viel Sendezeit bei einem Privatsender kostet normalerweise ein Vermögen. Das Logo der Kooperation war eine Stunde lang immer wieder zu sehen, ebenso das Apotheken-A.

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