Arzneimittelsicherheit

Securpharm: Arzneimittel auf Halde produzieren?

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Berlin -

In knapp einem Jahr wird das Fälschungsschutzsystem Securpharm scharf gestellt: Ab 9. Februar 2019 müssen alle neu in den Markt gebrachten Arzneimittel die neuen Sicherheitsmerkmale tragen. Während der Übergangszeit können noch vorhandene Arzneimittel aber ohne Sicherheitsmerkmale weiter verkauft werden. Die Umstellung kostet viel Geld. Vor allem kleinere und mittlere Pharmahersteller denken offenbar darüber nach, auf Halde zu produzieren, um die Kosten zu strecken.

In der Regel sind Arzneimittel zwei bis drei Jahre haltbar, manche auch länger. Damit könnte es bis zu drei Jahre dauern, bis nach dem Scharfstellen die Arzneimittelsicherheit durch das Securpharm-System flächendeckend greift. Bei Securpharm will man von solchen Strategien noch nichts gehört haben, Arzneimittel auf Vorrat zu produzieren. Auch der Branchenverband Pro Generika weiß davon offiziell nichts und erinnert an die nur knapp bemessenen Lager der Hersteller.

Ausführlich setzte sich auf Anfrage allerdings der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) mit diesem Thema auseinander, in dem viele mittelständische Hersteller organisiert sind. Ganz ursprünglich habe die Europäische Kommission tatsächlich eine „Big Bang“-Lösung gewollt, womit ab Scharfstellung nur noch mit den Sicherheitsmerkmalen versehene Arzneimittelpackungen in Apotheken abgegeben werden dürften. „Ein solcher Big Bang hätte aber die Arzneimittelversorgung am 9. Februar 2019 auf viele Monate hinweg unmöglich gemacht, weil es ausgeschlossen ist, dass am 9. Februar 2019 nur noch ‚gesicherte‘ Arzneimittel im Markt sind“, so der BAH.

Damit wären dann „von jetzt auf gleich“ große Teile der Arzneimittel mangels Sicherheitsmerkmale nicht mehr verkehrs- und abgabefähig, „die Arzneimittelversorgung wäre tot gewesen“, so der BAH. Deshalb sehe die EU-Fälschungsrichtlinie eine Übergangsregelung vor, nach der zuvor produzierte Arzneimittel in der EU auch ohne die Sicherheitsmerkmale bis zum Verfallsdatum in Verkehr gebracht und an die Öffentlichkeit abgegeben werden dürften.

„Von dieser Übergangsregelung werden pharmazeutische Unternehmer Gebrauch machen müssen, um die Arzneimittelversorgung auch nach dem 9. Februar 2019 sicherzustellen. Die Übergangsregelung ist also kein Unterlaufen des Fälschungsschutzes, sondern aus Gründen der Arzneimittelversorgung zwingend“, so der BAH.

„In welchem Umfange pharmazeutische Unternehmen von dieser Übergangsregelung Gebrauch machen müssen, kann ich nicht einschätzen“, so Hermann Kortland vom BAH. Aber angesichts der geringen Lagerkapazitäten und der Produktion und Lieferung „just in time“ sei es unwahrscheinlich, dass die Unternehmen beispielsweise Ende 2018 die Produktion „so hochfahren und die Lager mit Arzneimitteln ohne Sicherheitsmerkmale so voll pumpen, um diese dann in den nächsten Jahren bis zum Ablauf des Verfalls abzuverkaufen“. Außerdem hätten die Unternehmen schon aus Gründen des Images und der Reputation ein hohes Interesse, möglichst frühzeitig nur noch „gesicherte“ Arzneimittel in Verkehr zu bringen.

Der Countdown läuft bereits: Bis zum 1. April sollen die mehr als 19.000 Apotheken von den Softwarehäusern über die notwendige Hardware und die benötigte Software informiert werden, die für die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Fälschungsschutz erforderlich sind. Am Stichtag können Apotheken dann ihren Zugang zum Securpharm-System beantragen.

Laut ABDA müssen die Apotheken sich bei der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) mithilfe eines N-Ident-Verfahrens legitimieren lassen. Im Anschluss wird dann ein elektronisches Zertifikat, das N-ID, zugestellt, das die Grundvoraussetzung für die Anbindung darstellt.

Kürzlich teilte die ABDA mit, dass sie die Apotheken für das Securpharm-System zur Kasse bittet: Rund drei Millionen Euro will die ABDA jährlich von den knapp 20.000 Apotheken einsammeln. Mit dem Geld soll ein eigener Server betrieben werden. Zahlen soll jede Apotheke für die vorgeschriebene Teilnahme an Securpharm zehn Euro im Monat zuzüglich Mehrwertsteuer plus eine einmalige Lizenzgebühr von ebenfalls zehn Euro plus Mehrwertsteuer – macht zusammen rund drei Millionen Euro im Jahr. Betrieben wird der Server von der ABDA-eigenen NGDA.

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