Standardimpfungen

Not-Importe gegen Impfstoff-Engpass

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Berlin -

Der seit Monaten andauernde Lieferengpass bei den Fünffachimpfstoffen hat nun auch die Lager der 6er-Kombination geleert. Wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) informiert, ist in den kommenden Wochen bei allen Packungsgrößen mit Engpässen zu rechnen. Solange müssten Importe eingesetzt werden.

Bis voraussichtlich Ende Juli werden laut PEI die zur Grundimmunisierung von Kindern eingesetzten Sechsfach-Kombinationsimpfstoffe Infanrix hexa von GlaxoSmithKline (GSK) und Hexyon von Sanofi Pasteur MSD nicht im üblichen Umfang zur Verfügung stehen. Diese Impfstoffe werden zum Schutz vor Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae b (Hib) und Hepatitis B eingesetzt.

Bis Ende Juli sollen die Engpässe bei Infanrix hexa behoben sein und auch Hexyon wieder zur Verfügung stehen. Sanofi hatte seinen Impfstoff erst im März nach einem halben Jahr wieder als verfügbar gemeldet. Da jedoch GSK Probleme mit der Hepatitis-Komponente hatte, war auch der neue Bestand schnell abverkauft. Die Produktion der hexavalenten Impfstoffe dauert bis zu einem Jahr.

Laut PEI sollen die Apotheken einstweilen auf importierte Fertigspritzen von Hexyon ausweichen. Die verfügbaren Packungen enthielten zwar eine deutsche Packungsbeilage, Spritzen um Umverpackungen seien aber französisch oder italienisch beschriftet. Das PEI hat auf der Grundlage einer Ausnahmeermächtigung gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) die Chargen L03453VR (Ware aus Frankreich) und L03231V (Ware aus Italien) freigegeben. Die Bestände können ganz normal über den Hersteller abgerufen werden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte Ende vergangener Woche formal festgestellt, dass die beiden Impfstoffe zur Vorbeugung lebensbedrohlicher oder bedrohlicher übertragbarer Erkrankungen benötigt werden und dass ein Versorgungsmangel vorliegt. Rechtzeitige Impfungen seien erforderlich, um Ausbrüche lebensbedrohlicher oder übertragbarer Krankheiten zu verhindern.

In diesem Fall können laut §79 AMG (Ausnahmeermächtigungen für Krisenzeiten) die zuständigen Behörden im Einzelfall gestatten, dass Arzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert sind, befristet in Verkehr gebracht werden.

Ohne diese Maßnahme wäre es für Eltern schwierig geworden, ihre Kinder überhaupt impfen zu lassen. Denn auch die 5er-Kombination ohne Hepatitis-Komponente ist nicht erhältlich. Seit Monaten gibt es hier Engpässe: Sanofi kann Pentavac seit September vergangenen Jahres nicht liefern und rechnet auch nicht vor Anfang 2017 mit Nachschub. GSK ist mit Infanrix-IPV+Hib seit Februar defekt, will aber Ende Juli wieder lieferfähig sein.

Lieferengpässe bei Impfstoffen kommen häufig vor. Aktuell betroffen sind außerdem IPV Merieux und Menveo. Der Polio-Impfstoff von Sanofi ist seit Mai defekt und soll in Kürze wieder verfügbar sein; hier empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) ein Ausweichen auf Kombinationsimpfstoffe mit entsprechender Komponente. Die Vakzine gegen Meningokokken von GSK ist seit Anfang Juni bis voraussichtlich Dezember nicht erhältlich. Hier soll auf Nimrenix ausgewichen werden – GSK hatte sich nach der Übernahme der Impfstoffsparte von Novartis verplichtet, eine weltweite, exklusive und unbefristete Lizenz für den Impfstoff Nimenrix zu gewähren.

Ebenfalls defekt sind derzeit Boostrix Polio, Repevax Revaxis, Td-Immun, TdaP-Immun Vaqta sowie die Reise- und Indikationsimpfstoffe Hepatyrix und Viatim. Hier gibt es laut PEI aber Alternativen, auf die ausgewichen werden kann. Bei Stamaril fehlt die Großpackung.

Vor zwei Jahren waren mehr als 20 Prozent des gesamten Sortimentes betroffen. „Ich beschäftige mich seit nunmehr 20 Jahren professionell mit dem Thema Impfstoffe – die jetzige Situation ist sehr speziell“, sagte damals Markus Kerckhoff, Leiter der Schloss-Apotheke in Bergisch Gladbach. Wegen der Lieferschwierigkeiten sei eine ausreichende Versorgung nicht mehr sichergestellt, so Kerckhoff, der zu den größten Impfstoffversendern in Deutschland gehört. Aus seiner Sicht ist zu erwarten, „dass sich die Dinge noch weiter verschlimmern“.

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