Antidepressiva

Zoloft: Linke gegen Broich die Zweite

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Berlin -

Im Sommer 2017 hatte sich die Fraktion Die Linke zu möglichen Ungereimtheiten beim Zulassungsverfahren von Zoloft (Sertralin, Pfizer) erkundigt. Dabei wurde die Rolle von Professor Dr. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), kritisch hinterfragt. Weil die Bundesregierung zahlreiche Fragen unbeantwortet ließ, fragt die Fraktion erneut nach.

Die Fragesteller kritisieren die Rückmeldung der Bundesregierung. Konkrete Antworten fehlten. Statt den Kern der Frage selbst zu beantworten, wurden allgemeine Vorschriften zitiert, lautet der Vorwurf. Die Fraktion nimmt einen zweiten Anlauf und stellt neue und alte Fragen. Zu letzteren gehören Fragen zu möglichen Interessenkonflikten des BfArM-Präsidenten.

In der Kleinen Anfrage geht es um den Verdacht, dass die Risiken von Zoloft im Zulassungsverfahren möglicherweise verschleiert wurden und das Antidepressivum nicht nach den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) geprüft wurde. Würde dies nachträglich bekannt, müsste dem Arzneimittel gemäß § 30 AMG die Zulassung entzogen beziehungsweise deren Ruhen angeordnet werden. Im Fall von Zoloft wurde seitens des BfArM als zuständiger Zulassungs- und Aufsichtsbehörde bislang nichts unternommen, obwohl bereits im Frühjahr 2014 mögliche Verstöße gemeldet worden seien, schreibt die Fraktion.

Die Fragesteller wollen wissen, welche Fachartikel Broich zu SSRI-Antidepressiva vor und nach der Zulassung von Zoloft veröffentlicht hat. Gefragt wird auch nach gemeinsamen Veröffentlichungen von Broich und Professor Dr. Hans Jürgen Möller, der während des Zulassungsprozesses als Gutachter des Herstellers und stimmberechtigtes Mitglied der Kommission A im Zulassungsverfahren tätig war. Die Fraktion will von der Bundesregierung wissen: Sind diese Rollen vereinbar?

Welche Aufgabe Broich heute im Rahmen der Prüfung, ob das Zulassungsverfahren zu beanstanden ist, inne hat, will die Fraktion die Linke ebenfalls beantwortet wissen. Konkreter wird es in Frage 31: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, „dass sowohl Broich als auch Professor M. ein starkes gemeinsames Interesse daran haben können, dass das Zulassungsverfahren von Zoloft nicht in Kritik gerät“? Schließlich haben beide einen maßgeblichen Anteil an der aktuellen Situation der Behörde in Bezug auf die Risikoeinschätzung. Ein Ruhen der Zulassung könne zudem ihrem Ruf schädigen.

Aus Sicht der Fraktion kann das BfArM keine unabhängige Prüfung vornehmen, ob Zoloft im Zulassungsverfahren ausreichend vom Hersteller wie auch vom BfArM selbst nach dem Stand der Wissenschaft geprüft wurde. Eine unabhängige Prüfung könne laut Fraktion nicht von der Behörde durchgeführt werden, die auch über den Zulassungsantrag entschieden hat. Stattdessen solle ein unabhängiges Institut wie beispielsweise das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder eine rechtsmedizinische Fakultät einer Universität beauftragt werden. Die Fragesteller wollen wissen, ob die Bundesregierung diese Ansicht teilt. Darüber hinaus will die Fraktion wissen, ob die in § 30 AMG rechtlichen Voraussetzungen im Fall Zoloft zum Entzug beziehungsweise Ruhen der Zulassung erfüllt sind.

Sertralin ist ein selektiver-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Der als Glückshormon bezeichnete Wirkstoff hat eine stimmungsaufhellende Wirkung und spielt im zentralen Nervensystem eine wichtige Rolle bei der Regulation von Depressionen und Ängsten. Die Wirkung beruht auf der selektiven Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin durch die präsynaptischen Nervenzellen. Die Konzentration des Neurotransmitters im synaptischen Spalt steigt – Ängste, Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Depression werden vermindert. Zoloft wird ein erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten zugeschrieben. Hinweise zu Risiken des Mittels aus publik gewordenen Studien nähren bei der Fraktion den Verdacht, dass das Mittel vom Hersteller nicht ausreichend geprüft wurde. So sollen gar 90 Prozent der Daten über schwerwiegende Zwischenfälle und Suizide im Zulasungsdossier ausselektiert worden sein. Dies konterkariere dem Zweck der Risikobewertung, so die Fraktion. Die insgesamt 33 Fragen der Fraktion müssen binnen 14 Tagen beantwortet werden.

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