Schmerztherapie

Neues Opioid ohne Nebenwirkungen

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Berlin -

Opioide sind aus der Schmerztherapie nicht wegzudenken. Doch aufgrund der Nebenwirkungen sollte der Einsatz gut durchdacht sein. Ein starkes Schmerzmittel ohne unerwünschte Effekte? Das ist möglicherweise nicht nur Zukunftsmusik, wie Forscher im Fachjournal „Science Translational Medicine“ berichten.

Opioide werden nach dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der medikamentöse Behandlung von Schmerzen der Stufen 2 (mäßig starke Schmerzen) und 3 (starke Schmerzen) eingesetzt. Zusätzlich können Nicht-Opioide sowie Adjuvanzien Anwendung finden. Die schmerzlindernde Wirkung wird hauptsächlich über μ-Opioidrezeptoren (MOP) vermittelt. Selektive Agonisten verursachen jedoch verschiedene Nebenwirkungen wie Atemdepression, Hyperalgesie und Abhängigkeit.

Außerdem kann es zu einer Toleranzentwicklung kommen, bei der die Wirkung einer bestimmten Dosis eines Opiates beziehungsweise Opioids durch Gewöhnung immer geringer wird und eine gleichbleibende Wirkung nur durch Steigerung der Dosis erreicht werden kann. Doch der Gewöhnungseffekt führt dazu, dass das Risiko für Nebenwirkungen durch immer höhere Dosen größer wird. Atemdepression und Todesfälle sind bekannte Folgen. Bisher ist ein eindeutiger Pathomechanismus nicht bekannt; Wissenschaftler gehen vielmehr von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Mechanismen aus.

Die Schattenseite der Opioide könnte künftig ausgeschaltet werden, denn eine Arbeitsgruppe um Dr. Huiping Ding vom Institut für Physiologie und Pharmakologie der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem hat einen bifunktionellen MOP/NOP (Nociceptin/Orphanin-FQ-Peptid)-Rezeptor-Agonisten namens AT-121 entwickelt, der an beiden Rezeptoren partielle Agonistenaktivität aufweist. Die Forscher beobachteten, dass AT-121 bei der Erzeugung antinozizeptiver Wirkungen etwa 100-fach wirksamer als Morphin ist.

Bei nichtmenschlichen Primaten zeigte die Substanz starke analgetische Wirkungen – ohne Opioid-induzierte Hyperalgesie, Atemdepression oder Abhängigkeit, auch bei wiederholter Gabe, hervorzurufen. Auch ein Missbrauchspotenzial hatte der Wirkstoff nicht. Es gab aber Unterschiede bei der Desensibilisierung der Opioidrezeptoren: In einem direkten Vergleich mit Morphin entwickelten Morphin-behandelte Primaten nach längerer Exposition (vier Wochen) eine Toleranz gegenüber ihren antinozizeptiven Wirkungen. Im Gegensatz dazu zeigten AT-121-behandelte Primaten eine langsamere Toleranzentwicklung. „Obwohl eine häufigere Dosierung und eine längere Behandlungsdauer zu einer Toleranz führen könnten, weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass bifunktionelle MOP/NOP-Agonisten wie AT-121 bei wiederholten oder chronischen Dosierungsschemata Vorteile gegenüber Morphin haben können“, so die Studienautoren.

Bei weiteren Versuchen konnten die Wissenschaftler außerdem beobachten, dass AT-121 interessante Effekte auf Oxycodon ausübte: AT-121 senkte nämlich dosisabhängig die süchtig machenden Effekte dieses Arzneistoffs. So könnte die Substanz medikamentös in der Behandlung der Opioidabhängigkeit eingesetzt werden, die weltweit das Leben mehrerer tausend Menschen kostet. Oft geht sie mit einer Überdosierung einher, da sich eine Toleranz entwickelt hat und immer höhere Dosen der Substanzen für die gleichen Effekte notwendig sind. Vor allem in den USA ist das ein großes Problem, aber auch hierzulande nehmen Opioidverordnungen stetig zu.

Da die Versuchstiere eine hohe genetische Ähnlichkeit zum Menschen haben und deshalb besonders zur Erforschung des Gehirns geeignet sind, legen die Wissenschaftler nahe, dass dieser bifunktionelle Agonist künftig eine sichere und wirksame pharmakologische Substanz zur Behandlung von starken Schmerzen beim Menschen darstellen könnte, ohne dass die Gefahr unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen besteht.

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