Lunapharm

Staatsanwalt: Ministerium wusste von Diebstahlverdacht

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Berlin -

Die Affäre um angebliche illegale und unsachgemäße Zyto-Arzneilieferungen über die Firma Lunapharm aus Griechenland nach Deutschland entwickelt sich immer mehr zu einem Schwarzer-Peter-Spiel der zuständigen Landesbehörden. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt seit April 2017 gegen Lunapharm. Das brandenburgische Gesundheitsministerium wusste davon angeblich bis vor Kurzem nichts. Jetzt widerspricht die Staatsanwaltschaft dem Ministerium.

In der vergangenen Woche hatte das ARD-Magazin Kontraste schwere Vorwürfe gegen den brandenburgischen Pharmahändler Lunapharm erhoben. Die Firma soll in Griechenland aus Kliniken entwendete Zytostatika in Deutschland weiterverkauft haben. Beim Transport sollen die Arzneimittel unsachgemäß gelagert worden sein. Das durch die Berichte und Anfragen aufgescheuchte Gesundheitsministerium Brandenburg lud darauf am Freitag kurzfristig zu einem Informationsgespräch.

Mehrfach betonte dabei der erkennbar um Schadenbegrenzung bemühte Abteilungsleiter Thomas Barta, bis zum Kontraste-Bericht nichts von möglichen Diebstählen aus griechischen Krankenhäusern und den Ermittlungen der Staatsanwälte wegen Hehlerei gegen Lunapharm gewusst zu haben. In seinen Ermittlungen sei es daher immer nur um die Frage einer ordnungsgemäßen Großhandelserlaubnis des Athener Lieferanten gegangen. Im Fall eines Diebstahls hätte er auf einer anderen rechtlichen Grundlage handeln können, weil gestohlene Arzneimittel grundsätzlich nicht gehandelt werden dürften, so Barta: „Dies wäre ein Anlass, dem Unternehmen die Betriebserlaubnis zu entziehen.“ Dies ist bislang nicht erfolgt.

Barta warf dem Potsdamer Staatsanwälten vor, ihn nicht unterrichtet zu haben: „Ich hätte mich gefreut, früher von der Staatsanwaltschaft informiert zu werden.“ Die Potsdamer Staatsanwaltschaft widerspricht nun Bartas Aussage: Am 5. April 2017 sei das dem Gesundheitsministerium untergeordnete Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) informiert worden. Aus Sicht der Staatsanwälte war damit auch das Gesundheitsministerium unterrichtet: „Des Weiteren erfüllt die Abteilung Gesundheit als Bindeglied zwischen dem Ministerium (MASGF) und den 18 Gesundheitsämtern in den Landkreisen und kreisfreien Städten wichtige Aufgaben bei der Gesundheitsbeobachtung und -berichterstattung“, heißt es dort über die Aufgabe des LAVG. Jetzt muss geklärt werden, warum das Gesundheitsministerium laut Barta nicht über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft informiert war.

Auch in einem zweiten Punkt ergeben sich Ungereimtheiten. Laut Barta wurde die Staatsanwaltschaft am 10. Juli um Akteneinsicht gebeten, also noch vor der Ausstrahlung des Kontraste-Berichts auf Grundlage der Anfrage der Kontraste-Redaktion. Der Eingang der Anfrage bei der Staatsanwaltschaft trägt nach deren Aussage aber den Stempel 12. Juli, also der Tag nach der Ausstrahlung.

Und am 13. Juli sollen laut Staatsanwaltschaft die Akten zur Einsicht an das Gesundheitsministerium bereits überstellt worden sein. Im für den 13. Juli eilends am Nachmittag einberufenen Gespräch verneinte Barta allerdings auf Nachfrage, dass die Akteneinsicht bereits erfolgt sei. So begründete Barta die Aussage der Pressemitteilung: „Die Sicherheit der Menschen war zu keiner Zeit gefährdet.“

Nach Darstellung des Abteilungsleiters haben sich die Vorgänge um Lunapharm wie folgt zugetragen: Im Dezember 2016 habe die Aufsichtsbehörde eine Anfrage der polnischen Arzneimittelüberwachung erhalten, der bei einer Inspektion eines polnischen Unternehmens aufgefallen war, dass dort große Mengen eines teuren und üblicherweise schwer erhältlichen Arzneimittels lagerten. Diese Arzneimittel seien von einem Großhändler aus Brandenburg bezogen worden. Die polnische Behörde fragte im LAVG an, ob der Bezug dieser Arzneimittel rechtmäßig gewesen sei. Hier funktionierte die Kommunikation zwischen LAVG und Ministerium offenbar.

Die Aufsicht habe daraufhin den Großhändler (Lunapharm) unverzüglich am 6. Dezember 2016 aufgefordert, den Vertriebsweg offen zu legen. Es stellte sich heraus, dass die Arzneimittel von verschiedenen Unternehmen, unter anderem aus einer griechischen Apotheke bezogen wurden. Zu dieser Apotheke legte der Großhändler eine Lieferantenqualifizierung vor – eine englische Übersetzung eines griechischen Rechtsanwaltes zur Apothekenbetriebserlaubnis, aus der hervorging, dass ein Großhandel mit Arzneimitteln von der Erlaubnis erfasst sei. Es wurde ferner ein Auszug einer Gewerbeanmeldung vorgelegt, aus dem auch ein gemeldeter Großhandel mit Arzneimitteln hervorging.

Die für die in der EU übliche Großhandelserlaubnis konnte jedoch nicht vorgelegt werden, weshalb die brandenburgische Aufsicht Zweifel am Aussagegehalt der griechischen Dokumente hatte. Sie sei daraufhin erneut tätig geworden und habe die griechischen Behörden am 13. Dezember 2016 kontaktiert mit der Bitte zu erklären, ob die betroffene Apotheke zur Abgabe von Arzneimitteln an den brandenburgischen Großhändler berechtigt war. Aufgrund dieser Recherchen der Aufsicht habe der Großhändler den Bezug von Arzneimitteln von der griechischen Apotheke eingestellt.

Nach zahlreichen Nachfragen bei den griechischen Behörden habe die Aufsicht dann die Rückmeldung am 22. März 2017 erhalten, dass die Apotheke nicht befugt gewesen sei, Arzneimittel an den brandenburgischen Großhändler zu verkaufen. Unmittelbar nachdem die griechischen Behörden mitgeteilt hatten, dass der Bezug unrechtmäßig erfolgt sei, wurde daraufhin eine Inspektion bei Lunapharm am 23./24. März 2017 durchgeführt und es wurden Proben entnommen, die im Landeslabor Berlin-Brandenburg untersucht wurden. Untersucht wurden neben der äußeren Verpackung, Inhalt, Identität und Wirkstoffgehalt. Laut Ergebnis entsprach das Arzneimittel den Anforderungen.

Anschließend hat die Aufsicht Lunapharm den Handel mit Arzneimitteln, die von der griechischen Apotheke bezogen wurden, unter Zwangsgeldandrohung behördlich untersagt und um Auskunft zu den Kunden der betroffenen Arzneimittel aufgefordert. Hiergegen hat der Großhändler Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat verfügt, dass ein Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz nicht besteht und hat die Entscheidung der Aufsichtsbehörde als rechtmäßig erachtet. Aus Sicht des Abteilungsleiters hat das Gesundheitsministerium Brandenburg damit seine Pflicht erfüllt.

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