China

Pessina opfert Großhandel für Kette

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Berlin -

Stefano Pessina will der König der Arzneimittel werden, und sein Königreich ist die ganze Welt. Doch wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, ist der Chef von Walgreens Boots Alliance (WBA) auch einmal bereit, auf seinem Weg zur globalen Marktführerschaft eine Pause einzulegen oder einen Umweg zu gehen. Um in China bei einer Apothekenkette einzusteigen, hat der Italiener jetzt sein Engagement im Großhandel reduziert. Eine generelle Abkehr vom Großhandel sei damit nicht verbunden, versichert er.

Im Dezember hatte WBA verkündet, für umgerechnet 353 Millionen Euro einen Anteil von 40 Prozent an Sinopharm Holding Guoda Drugstores (GuoDa) zu übernehmen. Wenige Tage später folgte die Nachricht, dass der Konzern sein Paket am Großhändler Guangzhou Pharmaceuticals Corporation von 50 auf 20 Prozent reduziert.

Auf Nachfrage stellt eine Konzernsprecherin klar, dass die Reduktion des Anteils an Guangzhou keinesfalls als Abkehr vom Großhandel zu sehen sei. Der Bereich gehöre genauso zum Kerngeschäft wie der Einzelhandel. Auch mit der abgespeckten Beteiligung sei man ja weiterhin im Großhandel vertreten.

Im konkreten Fall habe es ein Interesse des lokalen Partners gegeben, sich die Mehrheit am Unternehmen zu sichern. Und die habe man genutzt und dadurch seinen ursprünglichen Einsatz um den Faktor 3,6 gesteigert. Am heute drittgrößten Pharmahändler Chinas ist Pessinas Konzern seit 2008 beteiligt. Die Option, weitere Anteile einzusammeln, war ihm verbaut: In China dürfen ausländischen Firmen maximal 50 Prozent der Firmenanteile halten – so gesehen hätte sich Pessina ohnehin keine Kontrollrechte sichern können.

Auch Pessina selbst gibt zu Protokoll, dass der Großhandel nach wie vor eine wesentliche Säule des Geschäftsmodells sei. Vertikale Integration setze aber nicht zwangsweise die Eigentümerschaft an einem bestimmten Unternehmen voraus: „Viele Dinge kann man durch enge Partnerschaften und Zusammenarbeiten erreichen“, so der Italiener, der schon seinen ursprünglichen Großhändler Alleanza Salute genannt hatte.

Tatsächlich hatte Pessina in der Vergangenheit immer wieder ganze Geschäftsbereiche innerhalb seines Imperiums hin und her geschoben oder – so wie den schweizerischen Pharmahändler Galenica – sogar ganz aufgegeben. Vor zwei Jahren verkaufte er seine russische Großhandelssparte an die Apothekenkette 36.6 – um im Gegenzug 15 Prozent am Gesamtunternehmen zu übernehmen. Beobachter gehen davon aus, dass die Mehrheitseigentümer Vladimir Kintsurashvili und Ivan Saganelidze ihre Anteile in absehbarer Zeit an den Partner verkaufen.

Auch in den USA hat sich Pessina einstweilen mit einer Minderheitsbeteiligung am Großhändler AmerisourceBergen (ASB) zufrieden gegeben. Das genügte auch, um den Partner in seinen Einkaufsverbund aufzunehmen: In der Schweiz sammelt ein Team von WBA für alle weltweit generierten Umsätze zusätzliche Rückvergütungen bei der Industrie ein.

Der US-Markt war bis zur Fusion der Apothekenkette Walgreens mit dem paneuropäischen Pharmahändler Alliance Boots überhaupt nicht vertikalisiert. Mittlerweile versucht der Konkurrent CVS, sich mit der Krankenversicherung Aetna zusammenzuschließen, um sich so vor einer möglichen Konkurrenz durch Amazon zu schützen.

Hintergrund für die Übernahme von GuoDa sind geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen: Wurden Medikamente in China bislang fast ausschließlich von Klinikärzten verschrieben und von Klinikapotheken beliefert, will die Regierung nun Verordnung und Abgabe trennen und das Geschäft stärker den niedergelassenen Apotheken überlassen.

Jahrelang hat Pessina auf diese Entwicklung gewartet. Schon 2010 sagte er im Interview mit APOTHEKE ADHOC, dass er lieber in China als in einem weiteren europäischen Land präsent sein würde. „Es ist eine globale Entwicklung: Sie müssen in den großen Märkten präsent sein, um große Volumina handeln zu können.“

China ist laut Pessinas Sprecherin der zweitgrößte Gesundheitsmarkt weltweit mit riesigem Wachstumspotenzial. GuoDa ist mit 3500 Apotheken in 70 Städten eine der größten Apothekenkette des Landes. Rund 20.000 Beschäftigte arbeiten für das 2004 gegründete Unternehmen. Im Großhandel ist WBA nicht nur mit Guangzhou vertreten: Am Konkurrenten Nanjing Pharmaceutical Company ist WBA mit 12 Prozent beteiligt.

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