Arzneimittelskandal

Lunapharm: Ministerium doch früher informiert

, Uhr aktualisiert am 16.08.2018 14:07 Uhr
Berlin -

Bei der zweiten Sondersitzung zum Lunapharm-Skandal im Brandenburger Landtag wurden neue Details über den illegalen Handel mit möglicherweise in Griechenland gestohlenen und unwirksamen Arzneimitteln bekannt. Das zuständige Gesundheitsministerium war danach – anders als bisher eingeräumt – deutlich früher über die Verdachtsmomente gegen Lunapharm informiert. Bereits im März 2017 lagen auch erste Hinweise auf mögliche Diebstähle in Griechenland vor.  

Das geht es aus einer neuen Aufstellung von Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) hervor, die in der Sondersitzung vorgelegt wurde. Danach war eine Referentin des Ministeriums über den E-Mail-Verkehr des untergeordneten Landesamts für Gesundheit (LAVG) mit der griechischen Arzneimittelaufsicht bereits ab Dezember 2016 informiert. Zu diesem Zeitpunkt gingen die ersten Meldungen aus Polen ein. Im März 2017 gab es vom LAVG-Dezernatsleiter offenbar sogar einen Hinweis auf den Diebstahlverdacht. Von Lunapharm gehandelte Zytostatika sollen aus griechischen Kliniken gestohlen worden sein.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums informierte der zuständige Dezernatsleiter bereits am 23. März 2017 das Ministerium über eine Inspektion bei Lunapharm wegen des „unrechtmäßigen Bezugs von Arzneimittel aus Griechenland“. Diese Mail ging an die für Arzneimittel zuständige Abteilungsleiterin im Ministerium. Derselbe Dezernatsleiter wandte sich dann am 28. März an das Bundeskriminalamt mit der Bitte um Unterstützung und verwies dabei auf Rechtshilfeersuchen aus Griechenland. Nach Angaben der AfD-Fraktion, die bereits Akteneinsicht erhalten hat, trug diese Mail den Titel „Inverkehrbringen von gestohlenen und doppelt abgerechneten Arzneimitteln“.

In der Befragung von Golze durch den Ausschuss blieb unklar, ob diese Information auch die Leitungsebene des Ministeriums erreicht hat. Golze verwies mehrfach auf die eingerichtete Task Force, deren Auftrag es sei, die Vorgänge und Abläufe aufzuklären. Dieser Bericht soll Ende August vorliegen. Keine Verantwortung übernehmen wollte Golze auch für die Anzeigen gegen zwei Mitarbeiter. Diese Anzeigen seien vom LAVG-Präsidenten Detlev Mohr gestellt worden. „Ich war für die Anzeigen nicht verantwortlich“, so Golze.

Mohr hatte die Anzeigen mit Korruptionsverdacht begründet, weil in den Unterlagen einige Akten fehlten. Die Staatsanwaltschaft stellte jedoch keinen Anfangsverdacht fest. Vielmehr bescheinigte sie den Beschuldigten, „umfassend informiert“ zu haben. Golze räumte ein, dass mit beiden Mitarbeiter noch keine Gespräche geführt worden seien, weder vor noch nach der Anzeige. Beide hätten Rechtsanwälte eingeschaltet.

Weitere personelle Konsequenzen schloss Golze zunächst aus. Zu möglichen arbeit- und disziplinarrechtliche Maßnahmen könne sie noch keine Bewertung vornehmen. „Mein Bauchgefühl sagt mir aber, man hätte umfänglicher informieren und reagieren müssen auf das Rechtshilfeersuchen aus Griechenland“, so Golze. Ob dies so sei, werde sie aber erst wissen, wenn der Bericht der Task Force vorliege. Arbeitsrechtliche Maßnahmen müssten gut begründet sein. Die CDU-Opposition zeigte sich mit Golzes Aussagen im Ausschuss nicht zufrieden: „Wir lassen uns nicht abspeisen mit Hinweisen auf die Task Force.“

Zum Auftakt der Sondersitzung des Gesundheitsausschusses hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nochmals eine vorbehaltlose Aufklärung des Medikamentenskandals und eine Klärung aller offenen Fragen gefordert. Woidke sagte, die Sicherheit und der Schutz der Patienten müsse oberste Priorität haben.

Streit gab um die Tagesordnung. Vertreter von CDU und AfD wandten sich gegen den Vorschlag der Ausschussvorsitzenden, als erstes Woidke anzuhören, weil dieser später andere Termine habe. Zunächst sollte Golze berichten, daraus ergäben sich Fragen an Woidke, sagte CDU-Generalsekretär Steeven Bretz. Woidke sagte, er sei gerne gekommen. Aber: „Ich kann nicht den ganzen Tag hier sitzen und alle Termine absagen.“ Die Opposition drohte damit, Wiodke mit allen rechtlichen Mitteln zur Sondersitzung zu zitieren, falls dieser den Saal vorzeitig verlassen sollte.

Gesundheitsministerin Golze sprach Wiodke nur sein eingeschränktes Vertrauen aus: „Momentan hat Frau Golze mein volles Vertrauen." Er und sein Regierungskabinett würden nun den für Ende August angekündigten Bericht der eingesetzten Expertenkommission abwarten, bevor sie über die mögliche Konsequenzen zur Arbeit von Golze (Linke) beraten. Golze habe selber Fehler eingeräumt in der Kommunikation, der Einschätzung der Situation. „Wenn ich das Vertrauen nicht hätte, dann müsste ich sie heute entlassen", sagte Woidke weiter.

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