Bakterielle Infektionen

Antibiotikagabe: Zu oft und zu lange

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Berlin -

Die Resistenzentwicklung von Antibiotika spielt eine immer größere Rolle: Ein Grund dafür ist die zu häufige Gabe der Wirkstoffe. Häufig werden Antibiotika aber auch zu lange verabreicht, was mit Folgeschäden einhergehen kann. Dies zeigt auch eine US-amerikanische Studie mit Pneumonie-Patienten, die im Fachjournal Annals of Internal Medicine veröffentlicht wurde: Eine längere Therapie verbessert demnach weder das Ansprechen noch die Rückfallrate.

Die Kohortenstudie umfasst knapp 6500 Patienten mit Pneumonie aus 43 Krankenhäusern und Kliniken. Die ausgewerteten Daten zeigen, dass zwei von drei Patienten eine zu lange Antibiotika-Therapie erhielten. Die verlängerte Gabe führte jedoch nicht seltener zu einem der Studienendpunkte Tod, Wiedereinlieferung oder Notarztbesuch gegenüber dem restlichen Drittel, das eine kürzere, aber doch wirksame Therapie erhalten hatte. Jeder Tag der Antibiotika-Gabe erhöhte jedoch das Auftreten von Symptomen wie Durchfall, Magen-Darm-Beschwerden, Pilzinfektionen und Hautausschlag um fünf Prozent.

In der Studie wurden auch schwere Fälle von Pneumonie einbezogen: Mehr als die Hälfte litt unter einer Pneumonie der Klassen IV oder V. Zu den Einschlusskriterien der Studie gehörten eine abgesicherte Pneumonie-Diagnose durch Röntgenbilder und eine Antibiotikagabe von mindestens vier Tagen. Die Therapie musste dabei spätestens am zweiten Tag des Klinikaufenthalts begonnen haben, um nosokomial erworbene Pneumonien auszuschließen.

Die Studie verglich die verordnete Therapiedauer mit der minimal notwendigen Dauer jedes Falles. Grundlage für die Berechnung der Minimaldauer war die Klassifikation der Lungenentzündung, der Erreger, sowie die Dauer bis zum Erreichen von mindestens zwei fieberfreien Tagen. Im Großteil der Fälle betrug diese Dauer fünf Tage, bei Keimen wie Staphylococcus aureus und Pseudomonas war die Dauer mit sieben Tagen etwas höher. In knapp 70 Prozent der Fälle wurde das Antibiotikum länger verabreicht – im Durchschnitt zwei Tage zu lang. Die häufigsten verordneten Antibiotika waren Fluorchinolone, Azithromycin und Amoxicillin-Clavulanat.

Die Antibiotikaresistenz weltweit nimmt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) alarmierende Ausmaße an. „Die Antibiotikaresistenz droht, 100 Jahre medizinischen Fortschritts zunichte zu machen“, warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus im Juni. Es sei eine der dringendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich, eine Lösung dafür finden. In manchen Ländern würden mehr als die Hälfte der Antibiotika falsch eingesetzt, etwa bei Virusinfektionen, obwohl sie nur bakterielle Infektionen bekämpfen, oder es werde ein Breitband-Antibiotikum verabreicht, wenn ein zielgerichteteres Medikament besser wäre.

Die WHO hat deshalb die vorhandenen Antibiotika jetzt in drei neue Kategorien eingeteilt. In der ersten Kategorie benennt sie Mittel, die für ernsthafte Infektionen eingesetzt werden sollen. In der zweiten sind solche, die jedes Gesundheitssystem zwar vorhalten, aber nicht immer bei den gängigsten Infektionen einsetzen sollte. In der dritten Kategorie führt sie schließlich die Mittel auf, die sie nur als letzten Ausweg ansieht. Ziel sei, dass die Mittel der zweiten und dritten Kategorie sparsamer eingesetzt werden, um Resistenzen zu vermeiden.

Die Forschung arbeitet zunehmend daran, neue wirksame Alternativen zu den bisherigen Antibiotika zu finden: Im Mai wurden Ergebnisse veröffentlicht, die darauf hinweisen, dass der Wirkstoff Ticagrelor (Brilique, Astra Zeneca) eine bakterizide Wirkung gegen antibiotikaresistente Bakterien wie MRSA aufweist. Ein weiterer Ansatz sind Lugdunin, welches auf der Nasenschleimhaut zu finden ist: Tübinger Wissenschaftler hatten 2016 das erste Fibupeptid entdeckt und isoliert. Weitere Forschungen ermittelten den genauen Wirkmechanismus und zeigten, dass Lugdunin in Zukunft eine neue Wirkstoffklasse für Antibiotika darstellen könnte.

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