Selbstmedikation

Grünes Rezept: Arzt empfiehlt, Apotheker sputet

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Berlin -

Seit OTC-Medikamente aus der Erstattung gestrichen wurden, greifen Ärzte bei leichten Beschwerden zum grünen statt zum rosafarbenen Rezeptblock. Mehr als eine Gedankenstütze ist die Verordnung eigentlich nicht, doch für viele Patienten hat die Empfehlung des Arztes besonderes Gewicht. Die APOSCOPE-Studie zum Erkältungsmarkt zeigt, wie wichtig das Grüne Rezept für die Apotheken ist.

Für mehr als die Hälfte der befragten Apotheker und PTA ist das Grüne Rezept wichtig: 13 Prozent messen der zu Papier gebrachten ärztlichen Empfehlung eine sehr große Bedeutung bei, weitere 39 Prozent eine große. Nur 13 Prozent finden, dass die arztgestützte Selbstmedikation, so der Fachbegriff, für ihre Apotheke eine untergeordnete oder gar keine Bedeutung hat.

Für Apotheken in Einkaufscentern, Fußgängerzonen oder Innenstadtlagen spielt das Grüne Rezept erwartungsgemäß eine geringere Rolle als für Apotheken in Ärztehäusern. Auffällig ist aber auch, dass Kollegen in Kleinstädten oder auf dem Land die Bedeutung höher einschätzen als Kollegen aus der Stadt. Außerdem gibt es große regionale Unterschiede: In Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen gab es deutlich weniger Zustimmung für das Grüne Rezept als in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und den neuen Bundesländern.

30 Prozent aller Befragten gaben an, dass die Bedeutung des Grünen Rezepts für ihre Apotheke gestiegen ist. 56 Prozent sehen keine Veränderung, nur 8 Prozent finden, dass Ärzte seltener zu den entsprechenden Vordrucken greifen als früher.

Insgesamt gibt es eine große Zustimmung zum Grünen Rezept: 89 Prozent der Teilnehmer stimmten der Aussage zu, das Grüne Rezept sei eine „gute Merkhilfe für Kunden und Patienten“. Weitere 71 Prozent gaben an, dass die Empfehlung des Arztes die Beratung in der Apotheke erleichtert, bei den Inhabern lag die Quote mit 80 Prozent am höchsten.

Allerdings gibt es auch gelegentlich Vorbehalte: 10 Prozent der Apotheker und PTA finden, dass das Grüne Rezept die Kompetenz der Apotheken untergräbt. 30 Prozent sind unentschieden, 58 Prozent teilen diese Bedenken nicht. Andersherum stimmen nur 48 Prozent der Aussage zu, dass das Grüne Rezept die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker verbessert, 35 Prozent sind unentschieden, 15 Prozent gegenteiliger Meinung. Und schließlich denken 37 Prozent, dass der Arzt bei der Ausstellung des Grünen Rezepts vom Hersteller beeinflusst wurde. Fast ebenso viele Teilnehmer sind geteilter Ansicht, 15 Prozent sehen die Gefahr nicht.

Das Grüne Rezept war 2004 unter Federführung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) initiiert worden. Damals waren OTC-Medikamente aus der Erstattung gestrichen worden, mittlerweile übernehmen zahlreiche Kassen bestimmte Präparate der Selbstmedikation als Satzungsleistung.

Laut BAH wurden 2016 insgesamt 45 Millionen Grüne Rezepte ausgestellt, im ersten Halbjahr 2017 waren es 25 Millionen. Damit greifen Ärzte in jedem dritten Fall auf ein entsprechendes Formular zurück, wenn sie ein OTC-Medikament verordnen. Der Rest sind Kassenrezepte für Kinder oder Privatrezepte. Insgesamt wurden 2016 Medikamente im Wert von 224 Millionen Euro (Herstellerabgabepreise, ApU) auf Kassenrezept verordnet, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 123 Millionen Euro.

Jedes vierte auf Grünem Rezept verordnete Präparat ist ein Arzneimittel der besonderen Therapierichtung. Vor allem Hausärzte, Internisten, HNO-Ärzte, Gynäkologen, Dermatologen und Pädiater nutzen das Grüne Rezept. Häufigste Indikationen sind Erkältungen, Durchfall und Schmerzen.

90 Prozent der Grünen Rezepte werden Umfragen zufolge tatsächlich eingelöst, sie sind damit ein wichtiger Frequenzbringer für die Apotheken. Zudem stärkten sie die Patientenbindung. „Das Grüne Rezept erweitert die Therapieoptionen des Arztes um rezeptfreie Arzneimittel und ermöglicht ihm ein budgetneutrales Verordnen. Zudem wird das verordnete rezeptfreie Arzneimittel in der Regel in der Patientenakte vermerkt. So gewinnt der Arzt für weitere Behandlungen einen Überblick, welche Arzneimittel der Patient einnimmt. Dies ist wichtig, um beispielsweise Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu vermeiden“, sagt Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH.

Aber auch Patienten hätten viele Vorteile: „Mit der schriftlichen Verordnung des Arztes auf dem Grünen Rezept haben Patienten alle wichtigen Informationen zum rezeptfreien Arzneimittel auf einem Blick parat, wie etwa den Produktnamen oder den Wirkstoff. Das verbessert die Compliance und auch die Adhärenz. Darüber hinaus erstatten viele Krankenkassen im Rahmen von Satzungsleistungen Kosten für rezeptfreie Arzneimittel, die auf Grünem Rezept verordnet wurden. Patienten sollten hierzu am besten direkt bei ihrer Krankenkasse nachfragen.“

Für die APOSCOPE-Studie „Erkältungsmarkt 2017/2018: Was das Apothekenteam empfiehlt“ wurden 507 verifizierte Teilnehmer aus der Offizin befragt, davon 275 Apothekerinnen und Apotheker und 232 PTA. Insgesamt wurden 162 Produkte von 65 Herstellern abgefragt; hier standen Empfehlungsverhalten, Einschätzung der Wirksamkeit, Markenbildung und Konditionen im Vordergrund. Untersucht wurde außerdem, welche konkreten Produkte von den Kunden nachgefragt werden, welche Marken platziert werden und welche Kampagnen den Teams positiv oder negativ aufgefallen sind.

Zu den wichtigsten allgemeinen Themen der Befragung zählen Abverkauf/Warenkorb, Bevorratung, Preisbildung und Lieferfähigkeit. Gefragt wurde außerdem nach der Einschätzung zu Generika, Kombinationspräparaten sowie pflanzlichen und homöopathischen Präparaten. Weitere Themen sind das Grüne Rezept und die Konkurrenz durch Versandhandel und Mass Market.

Die vollständige Studie mit mehr als 1000 Seiten, Analysen und Grafiken, Tabellenband und Management Summary kann hier kostenpflichtig bestellt werden. APOSCOPE betreibt Online-Marktforschung im Apotheken- und Pharmamarkt und verfügt über ein verifiziertes Expertenpanel aus Apothekern und PTA.

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