Potsdam

Palais sucht Drive-in-Apotheker

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Berlin -

Jeden Morgen fährt der Berliner Zahnarzt Stephan Ziegler an einem schönen alten Palais in Potsdam vorbei. Ein verfallenes Gebäude, aber der Glanz vergangener Tage schimmert durch. Jetzt gehört es ihm und er macht ein Ärztezentrum samt Apotheke daraus. Immer wieder warfen ihn unvorhergesehene Bauvorschriften zurück. Entmutigen lässt er sich nicht. Derzeit sucht er einen Apotheker. Geboten werden beste Lage und ein Drive-in-Schalter.

Der erste Interessent hatte nämlich nicht so viel Geduld wie Ziegler. Ein Apotheker, der im Palais sein Glück versuchen wollte, ist abgesprungen. Ihm fehlte die Ausdauer, die Fertigstellung des Projektes hat sich immer wieder verzögert. Ursprünglich sollte Ende 2017 Eröffnung gefeiert werden, dann Mitte 2018. Der neue Termin: Ostern 2019, spätestens. Interessenten erwartet eine rund 120 Quadratmeter große, lichtdurchflutete Offizin im Hochparterre. Wer sich schnell entscheidet, kann derzeit auch noch Einfluss auf die Raumaufteilung nehmen. Wer möchte, kann weitere 80 Quadratmeter große Räumlichkeiten im Souterrain dazumieten, ideal für den Kommissionierautomaten und das Labor.

Die Apotheke hat zwei Eingänge und liegt an Potsdams meistbefahrenster Straße. „Auf der Berliner Straße fahren jeden Tag rund 70.000 Autos vorbei“, sagt Ziegler. Die sollen bequem einkaufen können: „Wir haben einen Drive-in-Schalter eingeplant.“ Alle für Ärzte vorgesehenen Flächen sind bereits vermietet. „Ein Kardiologe will mit seiner Praxis schon im Januar starten“, erzählt Ziegler. Der Vertrag mit einem Orthopäden steht kurz vor der Unterschrift. In der ersten Etage eröffnet der Berliner Zahnarzt eine Dependance seiner Kurfürstendamm-Praxis. Ein Team steht schon in den Startlöchern.

Finanziell steht das Projekt laut Ziegler auf soliden Beinen: Das Gebäude hat Ziegler für 1,7 Millionen Euro gekauft. Ursprünglich wollte er rund 1,8 Millionen Euro investieren. „Derzeit scheinen 2,5 Millionen Euro realistisch, ich habe noch Rücklagen“, sagt der Zahnarzt. Die Klientel in diesem Potsdamer Stadtteil ist wohlhabend, die Berliner Vorstadt gilt als Nobelviertel. Hier wohnt man in alten Villen und modernen Stadthäusern. TV-Moderator Günther Jauch oder Designer Wolfgang Joop leben zum Beispiel hier. Das schöne Palais Ritz hat einen Bezug zur Medizin. Er wurde im Jahr 1842 erbaut und nach dem königlichen Kämmerer Johann Friedrich Ritz benannt. Im Jahr 1842 gebaut soll es ursprünglich als Lazarett gedient haben. Zu DDR-Zeiten beherbergte es Wohnungen für Ärzte des Klinikums.

Als Bauherr, so viel hat Ziegler gelernt, braucht man Geld und Humor. Für das Geld sorgen Eigenkapital und die Bank, den Humor bringt der Zahnarzt mit: „Das Ärztezentrum wird vor dem Berliner Flughafen fertig“, versichert er lächelnd. Jeden Dienstag um 12 Uhr gibt es in der schicken Zahnarztpraxis am Kurfürstendamm keine Termine bei Dr. Ziegler. Da steht er nämlich auf seiner Baustelle in Potsdam. Seit Jahren. Und hält für ein paar Stunden an, statt vorbeizufahren. Er begutachtet dann den Stand der Bauarbeiten.

„Ich habe mir damals im Vorüberfahren immer gedacht, dass es eine Schande für die Berliner Vorstadt ist, dass dieses schöne Gebäude leer steht und vor sich hingammelt.“ Dann kam ihm der Zufall zu Hilfe. „Ich habe einen Zahntechnikermeister in seinem Labor in Wannsee besucht. Dort stand ein Pappmodell von diesem Haus – er war der Besitzer!“ Auch er hatte Pläne, das alte Palais zu einem schicken Ärztehaus umzubauen, auf halber Strecke verließ ihn aber der Elan und auch die Kosten stiegen stetig.

Eine Chance für Ziegler, der das Gebäude kaufte. Und mit ihm auch ein paar Probleme. Ein halbes Jahr, so die mutige Prognose einiger konsultierter Experten, sollten die Renovierungsarbeiten dauern. Was für Einfamilienhäuser gilt, gilt auch für ein schönes altes Palais: Ein Bau oder Umbau dauert immer länger als geplant und kostet immer mehr. Und hinterher ist man immer schlauer.

Als die Flüchtlingskrise kam und Wohnraum in Potsdam knapp wurde, erwog Ziegler, aus dem Projekt eine Unterkunft zu machen. „Gesagt, getan. Wir haben den Bauantrag geändert. Und schon kamen neue Auflagen, zum Beispiel sollte das Haus nun zwei Fluchtwege haben. Dazu wären zwei Treppenhäuser nötig gewesen, das war allerdings aus Denkmalschutzgründen nicht möglich und viel zu teuer.“ Ziegler nahm es als neuerlichen Wink des Schicksals und kehrte zu den Ärzte- und Apothekerhausplänen zurück. „Meine Berater lagen mit der Zeiteinschätzung leider ganz falsch. Alles ist sehr kompliziert und ich bin da nicht der Profi“, sagt Ziegler. Und: „Man wird verrückt dabei!“

Aber er ist Optimist und knickte auch nicht ein, als die ersten Probleme mit der Heizung auftauchten. „Vor mehr als einem Jahr haben wir einen Antrag für eine innovative ökologische Geothermieheizung und –kühlung gestellt. Kurz erklärt: Die Wärme, die man der Erde im Winter für die Heizung entzieht, gibt man ihm im Sommer wieder zurück. Man braucht insgesamt nur noch ein Viertel der Energie, die herkömmliche Systeme verbrauchen.“

Er war von der Idee sofort begeistert. „Man riet mir, zuerst eine 99 Meter tiefe Probebohrung zu machen. Das Ergebnis liegt seit einem halben Jahr vor, leider passierte bislang nichts. Mir wurde mitgeteilt, dass die Untere Wasserbehörde in Potsdam kein Personal hat, um den Antrag für die Heizung zu bearbeiten. Inzwischen ist die Baugenehmigung abgelaufen. Sie wurde vom Vorbesitzer nämlich schon einmal verlängert, ein zweites Mal ist das nicht möglich.“

Unermüdlich überwindet Ziegler Problem nach Problem, nun ist ein Ende der Bauarbeiten absehbar. Probleme löst er mittlerweile höchst pragmatisch. „Mit dieser Apotheke kann man eigentlich nichts falsch machen“, ist er überzeugt. Sollte sich wider Erwarten kein Apotheker finden, hat er schon Plan B: „Wir haben mehr Anfragen von Ärzten als Platz. Bisher ist der Drive-In-Schalter nur ein Loch in der Wand. Findet sich kein Apotheker, mache ich das Loch einfach wieder zu.“ Ein Mann, der 99-Meter-Probebohrungen hinter sich hat, findet immer eine Lösung.

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