EuGH ausgekontert

Schlechtere Beratung – Gericht will Kunden vor DocMorris schützen

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Berlin -

DocMorris darf auch nicht alles. Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat der niederländischen Versandapotheke verboten, Kunden mit einem E-Bike-Gewinnspiel zu locken. Das steht laut der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung nicht nur in Einklang mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – das OLG benutzt die Entscheidung sogar für sich.

DocMorris hatte im März 2015 für ein Gewinnspiel geworben. Als Hauptpreis war ein Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2500 Euro ausgelobt sowie neun hochwertige elektrische Zahnbürsten (Philips-Sonicare-Diamond-Clean-Sets). Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung war das Einsenden eines Rezepts.

Die Apothekerkammer Nordrhein ging dagegen vor. Aus ihrer Sicht verstieß das Angebot gegen die Preisbindung, das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und den Rahmenvertrag zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV) gemäß § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V). Im Berufungsverfahren trug die Kammer außerdem erstmals vor, DocMorris betreibe illegal eine Versandapotheke in Deutschland, da sie Arzneimittel in Deutschland lagere und hier an Kunden versende. Letzteres war aber vom Klageantrag gar nicht erfasst.

Vor dem Landgericht Frankfurt hatte die Kammer noch verloren. Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG liege nicht vor, weil das Gewinnspiel keinen Vorschub zu einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln leiste. Nach dem EuGH-Urteil unterlägen EU-Versandapotheken zudem ohnehin nicht mehr der deutschen Rx-Preisbindung, die Vorschrift des HWG gelte für sei nicht. Aus dem gleichen Grund gelte auch das Zuwendungsverbot nach dem HWG nicht. Und der Rahmenvertrag sei erst gar keine Marktverhaltensregel nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, so das LG weiter.

Die Kammer ging in Berufung und hatte vor dem OLG Erfolg: Die Frage des Preisrechts ließen die Richter offen. Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sei aber anzunehmen. Davon ausgehend sei noch der Frage nachzugehen, „ob die deutschen Regelungen der arzneimittelrechtlichen Preisbindung geeignet ist, eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten“. Genau diese Frage hatte der EuGH im Prozess um Rx-Boni schon beantwortet und die deutsche Preisbindung für nicht gerechtfertigt erklärt.

Das OLG Frankfurt nutzt nun ausgerechnet die Begründung des EuGH, um das Gewinnspiel von DocMorris zu untersagen. Zunächst erklärt das Gericht aber das HWG für anwendbar. Anders als DocMorris annehme, werde diese Norm nämlich von der EuGH-Entscheidung nicht beeinflusst. Denn § 7 HWG habe nicht die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot der Wertreklame, das durch die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nur verschärft werde.

Die Teilnahme an einem Gewinnspiel ist laut Urteil eine Werbegabe im Sinne des HWG. Dass hier kein konkretes Produkt beworben werde, sondern das ganze Sortiment, kann aus Sicht der Richter keine Einschränkung sein. Der Gesetzgeber halte schließlich den Anreiz für unerwünscht. Und der Ausnahmetatbestand der „geringwertigen Kleinigkeit“ greife auch nicht: Auch die bloße Chance, ein E-Bike im Wert von 2500 Euro zu gewinnen, liege über der Geringwertigkeitsschwelle.

Ziel des § 7 HWG sei es zu „verhindern, dass die Kunden bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, unsachlich beeinflusst werden“. Zwar sei das Medikament in diesem Fall bereits verordnet, es bestehe aber die naheliegende Möglichkeit, dass der Patient sein Rezept bei DocMorris vorlege anstatt bei einer stationären Apotheke. Und da kommt der EuGH ins Spiel: Die Luxemburger Richter hätten nämlich ausgeführt, „dass Versandapotheke im Gegensatz zu stationären Apotheken nicht in der Lage seien, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten, sie haben ein eingeschränktes Leistungsangebot“.

Die Versandapotheke könne nur telefonisch und auf ausdrückliche Nachfrage beraten. Der EuGH sehe in diesem Unterschied einen entscheidenden Grund dafür, dass den Versandapotheken ein Preiswettbewerb ermöglicht werden müsse, zitiert das OLG weiter aus der EuGH-Entscheidung. „Es kann in der Tat für den Kunden bedeutsam sein, auch bei Einlösung eines Rezepts unaufgefordert beraten zu werden, beispielsweise im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten; hierfür ist der Apotheker ausgebildet. Die Entscheidung für eine stationäre Apotheke oder eine Versandapotheke ist daher für die Gesundheit des Kunden relevant und muss von ihm getroffen werden“, heißt es in der Begründung. Diese Entscheidung werde durch das Gewinnspiel unsachlich beeinflusst – damit sei das HWG berührt.

Dass das Gewinnspiel darüber hinaus eine unzweckmäßige oder übermäßige Verwendung von Arzneimitteln befördere, sah das OLG dagegen nicht. Die Befürchtung der Apothekerkammer, dass ein Patient, der sein verschriebenes Arzneimittel akut benötige, wegen des Gewinnspiels bei DocMorris bestelle und deshalb spät versorgt werde, erscheine unbegründet. Nach dem Arztbesuch wisse der Patient, ob er mit der Einnahme des Arzneimittels unverzüglich beginnen müsse.

Für DocMorris dürfte die Niederlage zu verschmerzen sein, denn nach der Boni-Freigabe, die von der HWG-Frage nicht berührt ist, ist die Versandapotheke weniger auf Gewinnspiele angewiesen. Der Fall und die Argumentation des OLG zeigen aber, dass die deutschen Gerichte sich weiter kritisch mit der EuGH-Entscheidung auseinandersetzen. Auch hier könnte es noch weiter gegen. Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ist bereits anhängig. Denn die Sache habe wegen der Auslegung des § 7 HWG habe grundsätzliche Bedeutung. Und die Richter in Karlsruhe hatten bereits mehrfach erklärt, dass für sie die Entscheidung des EuGH auf falschen Grundlagen beruht.

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