Modellprojekt Biko

Teltow-Fläming: Landkreis bezahlt die Pille

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Berlin -

Der Brandenburger Landkreis Teltow-Fläming bezahlt einkommensschwachen Frauen noch bis Ende des Jahres die Verhütungsmittel. Die Entscheidung folgt der kürzlich publizierten Auswertung des Modellprojekts „Biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ des Bundesverbandes Pro Familia. Die Ergebnisse würden den Bedarf nach kostenfreier Verhütung belegen. Da das auch der Politik bewusst sei und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey weitere Maßnahmen angekündigt hat, wolle der Landkreis in Vorleistung gehen, so die zuständige Landrätin.

„Modellprojekte dienen zu Recht der Erprobung und sind nur dann sinnvoll, wenn sie bei positiven Ergebnissen auch verstetigt werden“, so Landrätin Kornelia Wehlan. „Gerade im Vertrauen auf die Ankündigung der Familienministerin, dass es hier Lösungen geben muss, hat der Landkreis sich für eine Überbrückung stark gemacht.“ Wehlan saß von 1999 bis 2013 für Die Linke im Brandenburger Landtag und ist seitdem Landrätin des Landkreises Teltow-Fläming an der Südgrenze von Berlin. In Wehlans Partei gehen die Forderungen noch darüber hinaus: Die Linke Bundestagsfraktion forderte vergangenes Jahr, dass die GKV Verhütungsmittel generell erstatten sollten.

Grund für die Verstetigung seien die eindeutigen Ergebnisse der Studie. „Frauen mit niedrigen Einkommen benötigen kostenfreie Verhütungsmittel“, so die brandenburgische Landesgleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe. „Das hat die wissenschaftliche Evaluation des Biko-Projektes eindeutig belegt.“ Tatsächlich hatte die Hälfte aller Frauen in der Evaluationsbefragung angegeben, dass sie ohne die finanzielle Unterstützung durch das Projekt entweder gar nicht oder nur mit einer deutlich unsicheren Methode verhüten würden. Das deckte sich mit den Ergebnissen einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Geschlechterfragen, wonach jede zweite Sozialleistungsempfängerin mit ihrem Verhütungsverhalten unzufrieden ist und es ändern würde, wenn die Mittel für sie kostenfrei zugänglich wären.

„Dank des Engagements des Landkreises können die Frauen in Teltow-Fläming nun erst einmal aufatmen. Sie erhalten weiter kostenfreie Verhütungsmittel und gute Beratung“, so von der Lippe. Auch das in zweieinhalb Jahren aufgebaute Netzwerk aus Beratungsstellen, Ärztinnen und Apotheken bleibe vorerst bestehen. Von der Lippe fordert nun von der Bundesregierung, dass sie rasch eine flächendeckende Lösung erarbeitet: „Worauf warten Sie, Ministerin Giffey? Hier geht es um die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen in ganz Deutschland.“

Vorvergangene Woche hatte Pro Familia die finale Auswertung des Projekts Biko veröffentlicht. Zwischen 2016 und 2019 konnten sich Frauen, die von Hartz IV, Sozialhilfe, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen leben oder deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt, in sieben deutschen Städten in den Beratungsstellen von Pro Familia informieren und einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Dazu erhielt Pro Familia ein Fördervolumen von knapp vier Millionen Euro. Die Verhütungsmittel rechneten die Apotheken dann direkt mit Pro Familia ab.

Während der Kernlaufzeit des Projekts von Juli 2017 bis Juni 2018 führte Pro Familia in Lübeck, Halle (Saale), Recklinghausen, Ludwigsfelde, Saarbrücken, Wilhelmshaven und Erfurt insgesamt 4751 Beratungsgespräche durch und erhielt 6104 Anfragen für Kostenübernahmen. Von denen wurden 4480 bewilligt. Die dabei erhobenen Daten wurden vom Evaluationsinstitut Camino ausgewertet und sollen einen Einblick in die Verhütungssituation von Frauen mit niedrigem Einkommen ermöglichen.

Neben der Bedeutung von kostenloser Verhütung von Frauen in schwieriger wirtschaftlicher Situation ergab die Auswertung vor allem, dass es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelt, die die Hilfe in Anspruch nimmt: Nach Frauen, die Arbeitslosengeld II beziehen, waren die zweitgrößte Gruppe solche, die trotz einer Berufstätigkeit ein zu niedriges Einkommen haben. Auch Bezieherinnen von BAföG, Grundsicherung, Wohngeld, Asylbewerberleistungsleistungsgesetz und Ausbildungsförderung zählen zu den Anspruchsberechtigten. Von ihnen hat sich bei der Kostenübernahme mehr als die Hälfte für die Langzeitverhütungsmethoden Hormonspirale (40 Prozent) oder Kupferspirale (16 Prozent) entschieden. Mit 28 Prozent wollten etwas mehr als ein Viertel die Pille erstattet bekommen. Abgeschlagen folgen Kupferkette und Vaginalring (je 4 Prozent), Depotspritze (3 Prozent) sowie Hormonimplantat und Minipille (2 Prozent).

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