Apothekerrente

Klassentreffen: Nur der Apotheker schafft noch

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Berlin -

Michael Jilek steht beinahe jeden Tag in seiner Büdericher Apotheke, die er vor 40 Jahren übernommen hat. Ganz anders seine ehemaligen Klassenkameraden. Bei einem Klassentreffen im vergangenen Jahr stellte er verwundert fest, dass er der Einzige ist, der noch arbeitet. Doch bemitleiden muss ihn niemand: Er tut es gern.

Ein Sprecher bei Radio Luxemburg, zwei Lehrer, die sich schon mit 60 Jahren aus dem Berufsleben zurückgezogen haben, ein Logistikunternehmer, der seinen Betrieb bereits vor paar Jahren an die Kinder übergeben hat: Alle ehemaligen Klassenkameraden des Apothekers sind seit längerer Zeit raus dem Job. Nur Jilek nicht.

Sie alle hätten nicht schlecht gestaunt, dass der Apotheker immer noch hinter dem HV-Tisch steht, berichtet er. Ob er müsse, keinen Nachfolger finde oder – was wohl keiner ernsthaft glaubte – ob er etwa immer noch arbeiten wollte, hätten sie ihn gefragt. „In mir brennt noch immer das Feuer“, sagt Jilek, der seine Apotheke im nordrhein-westfälischen Büderich vor 40 Jahren übernommen hat. Und auch jetzt, mit 67, denkt er noch lange nicht ans Aufhören.

Gelegenheit hatte er dazu. Vor drei Jahren hätten zwei Kaufinteressenten seine Apotheke übernehmen wollen, erzählt er. Damals war Jilek 64 Jahre alt. Die meisten Landapotheker in diesem Alter hätten wohl die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und ihre Apotheken verkauft, solange sich noch jemand dafür interessiert. Doch Jilek verzichtete dankend.

Sein Rezept für ein glückliches Apothekerleben jenseits der 65 hat wenige, aber wichtige Zutaten: Freude an seinem Beruf, tolles Team, weniger Bürokratie und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung. Denn inzwischen arbeitet der Apotheker nicht mehr wie früher 40, 50 oder sogar mehr Stunden in der Woche, sondern hat die Wochenarbeitszeit reduziert. „So kann ich mir die Zeit selbst einteilen und genieße diese Freiheit sehr“, berichtet er. Eine Apothekerin in Vollzeit hat er als Vertretung angestellt.

Jilek versucht außerdem, so wenig Zeit wie möglich mit bürokratischen Aufgaben zu verbringen. „Die arbeite ich möglichst schnell ab oder delegiere sie“, erklärt er. Das sei nur möglich, weil er es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft habe, ein tolles Team aufzubauen, auf das er sich blind verlassen könne, so Jilek. „Sie haben viele Freiheiten von mir bekommen und haben sich mit den Jahren zu einem sehr selbstständigen Team entwickelt“, lobt der Apotheker. Und die Mitarbeiter würden ihre Freiheiten und Verantwortung sehr genießen und schätzen.

Nur zu gerne verweist der Apotheker darauf, dass er Mitarbeiterinnen hat, die ihm bis zu 35 Jahre die Treue halten. Für ihn ist das Zeichen eines guten Betriebsklimas. Als Belohnung und teambildende Maßnahmen gibt es regelmäßig gemeinsame Ausflüge, Wanderungen, Musicalbesuche oder auch mal ein Krimidinner im Stil der 20-er Jahre. Zum runden Geburtstag in diesem Jahr gab es ein verlängertes Wochenende mit allen in Bremen.

Dreh- und Angelpunkt seines Berufes sei aber der Kontakt mit den Patienten und Kunden. „Das ist wohl der wichtigste Grund, warum ich meinen Beruf liebe“, sagt er. „Ich mag es, mit den Kunden über ihre Gesundheit zu sprechen. Bei einer Beratung blühe ich richtig auf.“ Seine Leidenschaft sei auch nach 40 Jahren nicht geringer, sondern sogar größer geworden. Dank seiner homöopathischen Zusatz-Ausbildung und mit der wachsender Erfahrung könne man die Kunden individueller beraten und das sei sehr befriedigend. Außerdem werde es nie langweilig. „Die Individualität der Menschen ist so groß, dass man immer etwas Neuem begegnet.“

Doch der Apotheker lebt keinesfalls nur den heutigen Tag. „Ich bin nicht blauäugig und weiß, dass es in einigen Jahren soweit sein wird“, sagt er. Schon jetzt bereitet er seine Apotheke auf eine Übernahme durch einen jüngeren Kollegen vor. „Aufhübschen“ nennt er die zahlreichen Modernisierungsmaßnahmen, die bereits durchgeführt wurden und in nächster Zeit in Angriff genommen werden sollen. Dazu gehört nicht nur ein neuer Anstrich, sondern eine Dacherneuerung, Beleuchtungsumstellung auf LED, EDV-Modernisierung und Sortimentsbereinigung. Zuletzt wurde der Eingang umgebaut, sodass die Apotheke nun über einen barrierefreien Zugang verfügt. Auch eine Kinderecke wurde neu gestaltet. „Ich arbeite kontinuierlich daran, die Apotheke auf neuestem Stand zu halten“, sagt Jilek.

Der Apotheker ist zuversichtlich, dass er für seine Apotheke zum gegebenen und von ihm selbstbestimmt gewählten Zeitpunkt einen Nachfolger finden wird. „Mit der Apotheke und dem dazugehörigen Sanitätshaus sind wir breit aufgestellt“, so Jilek. „Wir sind der Gesamt-Gesundheitsanbieter vor Ort und inzwischen eine echte Größe in der Ortschaft und den umliegenden Dörfern.“

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