Temperaturanstieg

Klimawandel gefährdet Arzneipflanzen

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Berlin -

Der Klimawandel drängt verschiedene Arzneipflanzen zurück und gefährdet deren Bestand. Diese Erkenntnisse veröffentlichte nun ein Forscherteam des William-Brown-Centers in St. Louis im Fachjournal Planta Medica. Der Appell wurde von vielen weiteren Wissenschaftlern unterzeichnet.

Die Wissenschaftler berichten über eine Entwicklung, die sich weltweit abzeichnet: Das Aussterben von Arzneipflanzen. Dabei beschreiben Sie die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Heilpflanzen. Eine Reihe von Risiken stehen demnach direkt oder indirekt mit dem Klimawandel in Verbindung: Temperaturanstiege, Dürren und Starkregen, der Anstieg von Kohlendioxid in der Luft und die zunehmende Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern spielen eine wesentliche Rolle – auch das Überernten zähle zu den direkten Gefahren, erklären die Autoren.

Sowohl der Klimawandel wie auch das Überernten der Pflanzen können den Forschern zufolge den Bestand der Arzneipflanzen bis zum Aussterben reduzieren. „Verbliebene Pflanzen wachsen schlechter und sind von geringerer Qualität“, heißt es. Besonders Letzteres ist für die Forscher Grund zur Sorge, da die Pflanzen ihre medizinische Wirkung ändern oder sogar ganz verlieren können. Die Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln nimmt jedoch stetig zu, in vielen Entwicklungsländern stellen sie sogar die Hauptmedikamente für 70 bis 95 Prozent der Bevölkerung dar.

„Jährlich werden weltweit pflanzliche Inhaltsstoffe für medizinische Anwendungen im Wert von schätzungsweise 33 Milliarden US-Dollar exportiert“, heißt es im Appell der Wissenschaftler – doch diese Heilpflanzen sind bedroht. Besonders kleinere Volksgruppen und indigene Stämme würden voraussichtlich unter den Auswirkungen leiden. Am stärksten gefährdet sind den Wissenschaftlern zufolge Pflanzen in alpinen Regionen und in nördlichen Breitengraden. Sobald sich das Klima in den heimischen Lebensräumen verändert, versuchen sich die Pflanzen anzupassen oder in benachbarte Lebensräume zu wandern. Einige Pflanzen sind nach Ansicht der Autoren dazu jedoch nicht in der Lage oder schaffen es nicht rechtzeitig.

Es wird eine Studie zitiert, die den Verlust des Lebensraums von „Tylophora hirsuta“, einer Heilpflanze, die zur Behandlung von Asthma und Harnwegsinfekten eingesetzt wird, vorhersagt. Sie wächst derzeit in einigen Gebieten Pakistans, soll aber in Zukunft vom Aussterben bedroht sein. Weitere Studien weisen auf die Gefahren für Boswellia – den Weihrauch – hin: Wachsende Agrarbetriebe, Raubbau unter anderem durch Feuer, Holzkäferbefall und Verfütterung an Nutztiere seien gravierende Risikofaktoren für das Bestehen der Pflanze.

Durch ein Zusammenwirken von Überernte und Klimawandel, wachse die Bedrohung exponentiell, geben die Wissenschaftler zu bedenken. „Amerikanischer Ginseng stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von 8 Prozent in den nächsten 70 Jahren aus, wenn er weiter so geerntet wird wie heute.“ Ein Aussterben des Ginsengs durch Folgen des Klimawandels wird in einer weiteren zitierten Studie mit 6 Prozent beziffert – wenn beide Effekte zusammenkommen, steige das Risiko auf 65 Prozent, erklären die Forscher.

Die Autoren empfehlen daher, Arzneipflanzen verstärkt in Gemeinschaftsgärten anzubauen, um eine lokale Versorgung zu erhalten. Bauern sollten zudem zeitnah in der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wiesen und Feldern und in der Überwachung der Pflanzenqualität geschult werden. Einen letzten Ausweg sehen die Forscher in der vom Menschen unterstützten Migration der Pflanzen in neue Lebensräume und im Anlegen einer standortunabhängigen Saatenbank.

Bereits im vergangenen Jahr zeigte der Klimawandel auch in diesem Bereich seine Folgen: Durch die Extremtemperaturen herrschte in Europa gebietsweise extreme Dürre. Für die Hersteller von Tee und pflanzlichen Arzneimitteln kam es zu Beschaffungsproblemen: Denn die Ernte fiel aufgrund des ausbleibenden Regens knapper aus. Bei der Firma Klenk in Schwebheim war das Problem sehr präsent: „Das Thema Hitze und Trockenheit beschäftigt uns sehr“, sagte Geschäftsführer Stefan Oehler, der für Marketing und Vertrieb verantwortlich ist. Die Ernte falle bei vielen Artikeln deutlich knapper aus als in den vergangenen Jahren. „Erst im Juni haben wir beispielsweise Malvenfelder in Polen besichtigt, die mittlerweile komplett vertrocknet sind.“

Weitere Probleme gab es bei anderen Pflanzen, die weltweit bezogen werden: „In Deutschland und Osteuropa verzeichneten die Anbauer große Einbußen bei beispielsweise Thymian, Melisse, Pfefferminze, Fenchel, Kümmel“, so Oehler. Der vergangene trockene Sommer dürfte jedoch kein Einzelfall mehr sein. „In unserer Branche merkt man deutlich den Klimawandel und die Herausforderung dieses Wetters.“ Aufgrund des Wassermangels in Südafrika und die damit einhergehende Dürreperiode über viele Monate gab es laut Klenk fast ein Jahr lang kein Aloe. Bei knapper Ware im freien Markt würden die Preise zudem sofort deutlich steigen, so Oehler.

Die anthroposophischen Hersteller Weleda und Wala waren ebenfalls von der Trockenheit betroffen: Einigen der Heilpflanzenkulturen habe die Hitze sehr zu schaffen gemacht. Allerdings konnten beide Unternehmen mit der täglichen Bewässerung aus Zisternen gegensteuern – bei Wala musste schließlich mit Leitungswasser bewässert werden, um die Wasserversorgung zu gewährleisten. Durch die andauernde Hitze und Trockenheit hätten sich die Erntetermine um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben.

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