Ärzte-Portal statt Athina

AMTS: AOK Nordost erteilt Apothekern Abfuhr

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Berlin -

Die Medikationsanalyse ist nicht nur eine der Kernkompetenzen von Pharmazeuten, sondern könnte in Zukunft auch noch eine bedeutend größere Rolle bei deren Vergütung spielen. Auch die AOK Nordost hat ein nachvollziehbares Interesse an der AMTS ihrer Versicherten – setzt dabei aber auf ein Internetportal für Ärzte statt auf die Apotheken vor Ort. Eine Apothekerin aus Pasewalk hatte sich aktiv an die Kasse gewandt, um ihr eine Zusammenarbeit anzubieten. Kein Interesse, wurde ihr kurz und knapp mitgeteilt. Es gebe ja seit Kurzem „eLiSa“, den „electronic Life Safer“.

„Wir wollten mit Beginn des Jahres durchstarten und haben uns überlegt wie wir das machen können“, erklärt Kathrin Rodewald, Inhaberin der Kreis-Apotheke in Pasewalk. Denn die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern hat sich kürzlich dem AMTS-Projekt Athina (Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken) angeschlossen und Rodewald sieht darin genauso wie viele andere Apotheker in der Region eine Chance. „Meine Kollegen und ich haben das mit offenen Händen aufgenommen, denn Beratung ist unsere Profession“, erzählt sie. Allerdings kostet eine Medikationsanalyse auch Zeit – und damit Geld. Zusammengenommen rund fünf Stunden pro Fall, schätzt Rodewald.

„Zuerst kommt das Aufnahmegespräch von circa einer Stunde, danach die Auswertung und Feststellung von arzneimittelbezogenen Problemen, danach ein erneutes Treffen, in dem man nach Lösungen sucht“, erklärt sie. „Dann muss man noch Arzt anschreiben und so weiter. Und am Ende folgt dann eventuell noch ein drittes Gespräch.“ Da sie allein von der Dankbarkeit der Patienten schlecht leben kann, muss auch Rodewald ein Entgelt nehmen. In Nordrhein-Westfalen kostet das meist 69 Euro pro Analyse. „Wir sind hier aber in einer Region, wo es wirtschaftlich etwas schwieriger ist.“ Deshalb erwäge sie, weniger zu nehmen. „Wichtig ist, dass der Kunde von der erbrachten Leistung von uns gestärkt wird. Und das kann man nicht für einen Billigpreis rauswerfen.“

Die Kostenfrage stand und steht also im Raum. So kam Rodewald die Idee mit der AOK. „AOK Nordost ist hier regional sehr stark vertreten und eigentlich auch für Ihre Mitglieder aktiv.“ Deshalb bot sich die Kasse als natürlicher Partner an. „Wir hatten die Hoffnung, dass die AOK Nordost diese Dienstleistung vielleicht als Zusatzleistung übernimmt oder sich als regionale Krankenkasse eine gute Zusammenarbeit mit der Apotheke vor Ort vorstellen könnte.“ Also setzte sich Rodewald hin und schrieb der Kasse einen Brief.

Auf anderthalb Seiten versuchte sie darin, der Kasse das Projekt schmackhaft zu machen. „Die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland wird seit einigen Jahren als erklärtes Ziel durch den Aktionsplan des Bundesministeriums für Gesundheit angestrebt“, heißt es da. „Als regional agierende Krankenkasse könnte die AOK Nordost ihren Versicherten ein besonderes Leistungspaket als eine regionale (Einzel-)Lösung anbieten, in welches unsere apothekerliche Kompetenz eingebunden ist“, so der Vorschlag. Hintergrund sind die aktuellen Gesetzesvorhaben des BMG: „Die im Apotheken-Stärkungsgesetz geplante Möglichkeit, dass Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen anbieten können und diese von den Kassen vergütet bekommen, wollen wir zum Vorteil unserer Patienten nutzen.“

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Bettina Schmekel lud Rodewald deshalb AOK-Vertreter zu sich ein, um ihnen eine Medikationsanalyse nach Athina zu präsentieren. „Wir möchten Ihnen aufzeigen, wie wir arbeiten, mit welchen Voraussetzungen und Vorstellungen, mit welchem Antrieb wir die alltägliche Patientenversorgung wahrnehmen. Uns ist es dabei sehr wichtig zu erfahren, wie Sie sich als Krankenkasse vor Ort positionieren.“ Denn Rodewald streckte die Hand weit aus, für die Zukunft seien für sie auch gemeinsame Projekte unter dem Label „Ihre Krankenkasse und Ihre Apotheke vor Ort“ vorstellbar.

Das stellte sich jedoch als vergebene Liebesmüh heraus. Knapp zwei Wochen später antwortete die AOK Nordost per E-Mail auf den Brief – und bügelte die Offerte freundlich, aber bestimmt ab. Man danke für die Anfrage, aber es gebe keinen Bedarf. Auch der Kasse liege die Arzneimitteltherapiesicherheit am Herzen. „Deshalb haben wir ein neues innovatives Angebot in unserem Versorgungsgebiet: eLiSa – electronic Life Saver.“ Dabei handele es sich um „eine digitale Unterstützung des Arztes beim Management von Multimedikation“, die zu einer „aufeinander abgestimmten medizinischen Behandlung“ beitrage und die „erheblich sicherer“ mache. Bei wem die Kasse dort die Kompetenzen sieht, erklärt sie explizit: „Unser aktueller Fokus liegt dabei bei der Unterstützung der Hausärzte, Fachärzte sowie Ärzten in stationären Einrichtungen“, so das Schreiben vom 15. Januar. „Derzeit sehen wir deshalb von weiteren Projekten und Zusammenarbeiten zu Medikationsmanagement und Arzneimitteltherapiesicherheit ab.“ Anbei schickte sie Rodewald noch zwei Links zu ihrem AMTS-Projekt, damit sie sich ein Bild machen kann.

Ganz neu ist eLiSa allerdings nicht: Die elektronische Patientenakte ging schon vor einem knappen Jahr ans Netz und fing sich bereits damals Kritik dafür ein, bei einer pharmazeutischen Kernkompetenz ausschließlich auf Ärzte zu setzen. „Ich weiß, dass es aus Apothekersicht kritisch gesehen wird, dass wir in der Stufe 1 die Apotheker noch nicht integriert haben“, räumte AOK Nordost-Vorstand Frank Michalak vergangenen Mai ein. In einer In weiteren Stufen plane man eine Implementierung von eLiSa in ein E-Rezeptmodell, „das deutlich mehr sein wird als die bloße Übermittlung eines Muster 16 in digitaler Form“. Hauptfokus werde auch da sein, deutlichen Nutzen und Mehrwert zu schaffen und dies sowohl für den Patienten und den Arzt als auch für den Apotheker. „Spätestens hier gibt es dann auch die Ansätze und Möglichkeiten, die Apotheker in unser Medikationsmanagement eLiSa mit einzubeziehen“, so Michalak. Geschehen ist das allerdings bisher nicht – und ein Angebot, sich in naher Zukunft in irgendeiner Form an eLiSa zu beteiligen, enthielt die Antwort der Kasse an Rodewald auch nicht.

„Das Schreiben war für uns sehr ernüchternd“, sagt sie. „Wir haben ja nicht einmal die Chance bekommen, unsere Dienstleistungen überhaupt vorzustellen. Das macht für uns den Anschein, als ob uns niemand braucht.“ Rodewald tut es aber nicht nur für den eigenen Berufsstand leid, auch mit Blick auf das regionale Gesundheitssystem hält sie den Kurs der AOK Nordost für eine massive Fehlentscheidung – schließlich seien es die Apotheker, die Kapazitäten für solche zusätzlichen Dienstleistungen haben, nicht die chronisch überlasteten Ärzte.

„Wenn ich mir unsere Ärzte hier ansehe, dann geht hier keiner in so ein Online-Portal“, sagt sie. „Die müssen selbst sehen, dass sie alle ihre Patienten abgearbeitet kriegen und haben gar keine Kapazitäten mehr für so etwas.“ Die AOK Nordost hat auf eine entsprechende Anfrage bisher noch nicht geantwortet. Für Rodewald ist der Fall indes klar: Es ist eine vergebene Chance und ein falsches Signal. „Wir können als Apotheker einen großen Beitrag zum Gesundheitssystem leisten und wir leisten auch schon genug“, sagt sie. „Wir machen das alles umsonst, aber umsonst kann man keine Apotheke betreiben. Gute Leistung muss auch honoriert werden.“

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