Erstattungspreise

EU-Parlament stimmt für europäische Nutzenbewertung

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Berlin -

Das Europäische Parlament hat seine Position zum Health Technology Assessment (HTA), der gemeinsamen europäischen Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, festgelegt. Die Abgeordneten haben heute in erster Lesung beschlossen, das Vorhaben der EU-Kommission grundsätzlich zu unterstützen, aber auch einige Klarstellungen zu den Rechten der Mitgliedsstaaten vorgenommen – vor allem bei der Erstattung. Damit hat das Parlament nun ein eindeutiges Mandat für die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Rat der EU. Bis die HTA kommt, kann es aber noch dauern.

Zwar werden Arzneimittel in der Regel EU-weit zentral zugelassen, doch die Nutzenbewertung und darauf aufbauend die Frage der Erstattung erfolgt in den jeweiligen Mitgliedstaaten. In Deutschland ist dafür das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zuständig. „Dies ist aus meiner Sicht unnötige Doppelarbeit. Es kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sein, dass ein Medikament in Deutschland das Leben im Schnitt um acht Monate verlängert, aber in Frankreich nur um einen Monat“, kritisiert CDU-Politiker Peter Liese, der seit 1994 für die Europäische Volkspartei im Parlament sitzt.

Bis Medikamente europaweit einheitlich bewertet werden können, müssen aber noch einige Streitpunkte geklärt werden, insbesondere die Erstattung. Denn im Parlament und vielen Mitgliedsstaaten gibt es heftige Widerstände gegen die Vorstellung, dass für die gesamte EU zentral über die Erstattung – und damit die Arzneimittelpreise – entschieden wird. Und so haben auch die EU-Abgeordneten für eine strengere Abgrenzung zwischen Kompetenzen der Union und der Mitgliedsstaaten gestimmt.

So soll zwar die Nutzenbewertung zukünftig im Grunde zentral durchgeführt werden, dennoch sollen aber auf nationaler Ebene ergänzende Studien möglich sein, wenn der entsprechende medizinische Standard in dem jeweiligen Land durch die Prüfung der Vergleichstherapie auf europäischer Ebene nicht ausreichend abgedeckt wurde. Für die Hersteller von besonderem Interesse: Das Parlament hat klar formuliert, dass die letztendliche Frage der Kostenerstattung – und damit die Hoheit über die Preisbildung – Sache der Mitgliedsstaaten bleiben soll. „Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig“, findet auch Liese.

Das Parlament hat damit nun ein klares Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat. Allzu bald werden die aber nicht beginnen. Eine gemeinsame Position haben die Mitgliedsstaaten des Rats nämlich noch nicht gefunden und waren dementsprechend zu Verhandlungen über den finalen Text noch nicht bereit. Es gilt in Brüssel als so gut wie ausgeschlossen, dass sie noch unter rumänischer Ratspräsidentschaft, also bis zum 30. Juni, aufgenommen werden. Und am 1. Juli konstituiert sich das neue EU-Parlament, das vom 26. bis 29. Mai gewählt wird. Vor Ende des Jahres wird es also mit Sicherheit keine Entscheidung geben.

Aus den Mitgliedsstaaten im Rat gibt es dem Vernehmen nach noch einige Widerstände gegen die Regelungen, wie sie das Parlament beschlossen hat. So verlangen einzelne Staaten, dass die Zusammenarbeit in der Nutzenbewertung auf freiwilliger Basis erfolgen soll – nach Ansicht der Parlamentsmehrheit den Sinn einer europäischen Nutzenbewertung unterlaufen würde. Auch in Deutschland gibt es weiterhin große Bedenken bei wichtigen Akteuren im Gesundheitswesen.

Die Herstellerverbände BAH, BPI und VfA sprachen sich Mitte vergangenen Jahres in einem gemeinsamen Positionspapier zwar für für die einheitliche Nutzenbewertung aus, bestehen aber auf nationalen Preisverhandlungen. Dahingehend dürfte ihnen der Parlamentsbeschluss entgegenkommen. Besonders deutlich hat sich hierzulande die AOK gegen das Vorhaben positioniert: Die Nutzenbewertung auf nationaler Ebene sei „unsere einzige Möglichkeit, wirklich innovative und gute Arzneimittel von Nachahmerprodukten zu trennen und die Preise zu verhandeln“, so Verbandschef Martin Litsch.

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