Betriebsprüfung

Profiler jagen Steuersünder in der Apotheke

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Berlin -

Ab 2017 gilt das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModernG). Zentrales Anliegen des Gesetzgebers ist es, die Finanzverwaltung zu entlasten, indem alle Steuererklärungen nur noch elektronisch eingereicht werden – das gilt auch für die Steuererklärungen der Apotheker. Weil in den Finanzämtern Personal fehlt, soll ein Risikomanagementsystems (RMS) die Steuersünder aufspüren. Algorithmen machen dann Jagd auf Apotheker. Denn der Berufsstand steckt wegen ihrer hohen Bargeldumsätze bei den Finanzämtern längst in der BMW-Schublade der auffälligen Berufe: Bäcker, Metzger, Wirte – und muss mit verschärften Prüfungen rechnen.

„Bei fast jeder Veranstaltung werden Apotheker als kritische Berufsgruppe genannt“, berichtet Gilbert Hönig vom Steuerbüro Hönig & Partner in Leipzig: „Apotheker stehen im Fokus der Finanzämter.“ Und das dürfte mit dem neuen Risikomanagement noch problematischer werden. Künftig entscheiden Kriterien wie Beruf, Alter, Wohnort oder sogar die Religion darüber, ob Steuerprüfungen erfolgen.

Denn mit dem elektronische RMS können die Finanzverwaltungen aus einem bisher noch nie da gewesenen Datenbestand schöpfen und filtern. Die Angaben aus der elektronischen Steuererklärung liefern Anhaltspunkte für ein „objektives Risiko“. Dabei werden die Gewinneinkunftsarten durch eine E-Bilanz oder Anlage Einnahmeüberschussrechnung (EÜR) übermittelt. Aufgrund der vorgegebenen Datenstruktur sind auch diese Zahlen in Echtzeit maschinell auswertbar. „Dies erhöht die Analysemöglichkeiten für die Finanzverwaltung durch die Anwendung von Mehrjahresvergleichen“, so Hönig.

Ins RMS sollen weitere unveröffentlichte Einstufungskriterien aus dem Datenbestand einfließen, ausgeforscht und im Hinblick auf ein Steuerrisiko geprüft werden. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, ob der Steuerpflichtige oder Familienangehörige früher schon einmal auffällig geworden sind. Zu Hilfe genommen werden dazu statistische Erhebung über Steuerverkürzungen in bestimmten Regionen oder Religionen, in Altersgruppen und bei Mandanten streitlustiger Steuerberater. So gab es in NRW nach Informationen von Insidern eine Auswertung, wonach Katholiken es mit ihrer Steuererklärung weniger genau nehmen als andere Religionsgruppen. Angaben und Bemerkungen im Freitextfeld der elektronischen Steuererklärung führen automatisch dazu, dass die Steuererklärung individuell bearbeitet wird.

Für „einfache“ Steuerfälle sollen deshalb nur noch geringe personelle Kapazitäten gebunden werden – dieses Ziel soll mit dem RMS erreicht werden, das zukünftig eine nahezu automatische Bearbeitung bis hin zur endgültigen Veranlagung übernimmt.

Erfolgt die Einstufung als risikoarmer Fall, wird automatisch ein Steuerbescheid erlassen. Bei den Steuerfällen mit einem mittleren Risiko soll keine personelle Vollprüfung mehr erfolgen, sondern lediglich die Freigabe der geprüften Risikohinweise durch den Sachbearbeiter. Erklärungen mit einem hohen Risiko werden aussortiert. Dabei spielen die Erfahrungen der Finanzbehörden über den „Gestaltungsspielraum“ ebenso eine Rolle wie die Höhe der Einkünfte und Umsätze. In dieser Risikostufe ist die Wahrscheinlichkeit einer vollumfänglichen Prüfung durch einen Finanzbeamten sehr hoch.

Nach Einschätzung von Hönig erhalten zunehmend Compliance-Faktoren Einfluss auf die Auswahl der Steuerprüfungen. Damit stuft das Finanzamt auf Grundlage der Vergangenheit das „subjektive Risiko“ des Steuerpflichtigen ein. Daher werde es immer wichtiger sein, eine „saubere“ Steuervita zu haben. Überwachbare Einstufungskriterien werden die fristgerechte Abgabe und die Ergebnisse der letzten Betriebsprüfungen bis hin zur zeitnahen Zuarbeit und Kooperationsbereitschaft sein. „Es muss daher bereits mit einer verstärkten Prüfung gerechnet werden, wenn öfter eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung eingereicht wird. So führen auch hohe Auffangpositionen bei der E-Bilanz zu Unstimmigkeiten beim RMS“, so Hönig.

Die Einführung eines automatischen RMS trägt laut Hönig unbestritten zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens und insbesondere auch zur Arbeitserleichterung aufseiten der Finanzverwaltung bei. „Jedoch sehen wir bei der vollautomatischen Prüfung von Steuerfällen auch steuerliches Beratungspotenzial.“ Sind die Prüfparameter bekannt, werden die Steuerberater ihre Mandaten beraten müssen, wie sie ihre Erklärung optimal an die maschinellen Vorgaben anpassen. Inwieweit das RMS als dynamischer Prozess diese Veränderungen erkennen wird, bleibt abzuwarten.

Mit dem StModernG verlängert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zudem die Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen um zwei Monate. Von Steuerberatern erstellte Steuererklärungen müssen dann nicht mehr bis zum 31. Dezember, sondern bis zum 28. Februar des Zweitfolgejahres beim Fiskus vorliegen. Wer dann allerdings die Abgabefrist ohne triftigen Grund verpasst, muss einem saftigen Strafzuschlag zahlen: Mindestens 25 Euro pro Monat bis maximal 25.000 Euro.

Die heutige Pflicht zur Vorlage von Belegen beim Finanzamt entfällt dafür weitgehend. Aus der Belegvorlagepflicht wird eine „Belegvorhaltepflicht“. Die Steuerpflichtigen müssen damit rechnen, dass die Belege von den Finanzbehörden angefordert werden können.

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