Kommentar

Willkommen in der Urzeit

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Berlin -

Das Pharmaziestudium ist umfassend und aufwendig – über Langeweile beklagen sich angehende Apotheker normalerweise nicht. Wie man eine eigene Apotheke führt, lernt man an der Uni jedoch kaum. Das betrifft nicht nur die betriebswirtschaftlichen Aspekte, sondern auch Themen der Personalführung. Dieses Wissen müssen Inhaber sich selbst aneignen – aber bitte nicht in Seminaren wie „Frauenteams richtig führen“. Ein Kommentar von Alexander Müller.

In den meisten Apotheken sind Frauen in der Mehrheit, in mancher Offizin gibt es überhaupt keinen Mann. Das ist schlichter Fakt und sicher eine Besonderheit in Apotheken. Insofern heißt ein Apothekenteam führen fast immer ein „Frauen-Team“ führen. Und das ist offenbar besonders schwierig, bieten doch zahlreiche Apothekerverbände extra Seminare dafür an.

Da ist von den besonderen Spielregeln in Frauenteams die Rede, von typischen Kommunikations- und Verhaltensmustern und von schwierigen Mitarbeiterinnen. Es steckt viel Klischeedenken in solchen Angeboten. Unausgesprochen schwingen hässliche Begriffe wie „Zickenkrieg“ oder „Stutenbissigkeit“ mit. Dabei gehen Soziologen davon aus, dass solche Zuschreibungen wiederum Ausdruck männlicher Machtstrategien sind, die dann von Frauen übernommen werden.

Gibt es in Apotheken mit männlichen Kollegen etwa keine Konflikte? Macht es wirklich einen Unterschied, wenn ein oder zwei Männer im Team sind? Frauen pauschal zu unterstellen, sie könnten nicht ordentlich zusammenarbeiten, ist nicht nur Unfug, es ist auch diskriminierend. Es gibt über 19.400 verschiedene Apothekenteams, die sich alle zusammenraufen müssen und für den gemeinsamen Erfolg kämpfen müssen.

Und jedes Team steht in seiner Zusammensetzung vor individuellen Herausforderungen: Übernimmt ein junger Approbierter eine Apotheke, in der alle Mitarbeiter 30 Jahre Betriebszugehörigkeit im Kittel haben, wird die Frauenquote im Team sicher nicht sein erstes Thema sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Vordergrund zu rücken, sollte – und wird zum Glück auch immer mehr – als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und nicht den Frauen als Aufgabe übertragen werden. Das hat mit der Anerkennung sozialer Berufe zu tun, auch mit der Vergütung, aber bestimmt nicht mit der dem richtigen Führen von Frauenteams.

Mag sein, dass sich die Realitäten langsam ändern, mag sein, dass sich auch in Apotheken viele (beiderlei Geschlechts) noch in so ausgetretenen Denkmustern bewegen. Dinosaurier gibt es überall. Aber den Apothekern stünde es gut zu Gesicht, solche Klischees nicht auch noch durch Seminare zu verfestigen.

Wem das zu hysterisch klingt, der stelle sich nur kurz ein Seminar vor, mit dem Inhaber auf die Führung einer anderen Gruppe besonders geschult werden. Möglicherweise einer diskriminierten Gruppe. Der Aufschrei wäre zu Recht groß und niemand würde dahin gehen. Und das macht Hoffnung: Das Seminar Frauen-Teams professionell führen in Bayern wurde abgesagt. Es hat sich keiner angemeldet.

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