Bundestagswahl

Die letzten 100 Tage der GroKo

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Berlin -

In 100 Tagen ist Bundestagswahl. Bis dahin stehen der großen Koalition noch zwei Sitzungswochen für die letzten Vorhaben zur Verfügung. Das von der ABDA erhoffte Rx-Versandverbot wird es nicht mehr geben. In der Gesundheitspolitik sind die großen Gesetze unter Dach und Fach. Aber es gibt noch einmal Ärger im Gesundheitsausschuss: Gegen die Personalvorschläge für die Besetzung der Unparteiischen im Gemeinsamen Bundes­ausschuss (G-BA) formiert sich Widerstand.

Hier muss sich noch einmal erweisen, ob Union und SPD auf den letzten Metern an einem Strang ziehen können. Vorgeschlagen sind neben dem bis­herigen Vorsitzenden Josef Hecken, dessen Wiederwahl unstrittig ist, für die G-BA-Spitze als weitere unparteiische Mitglieder der frühere AOK-Vorstand Uwe Deh aus dem Krankenkassenlager. Und die Leistungserbringer (Ärzte und Krankenhäuser) schicken den FDP-Mann Lars Lindemann ins Rennen.

Sowohl mit Deh als auch mit Lindemann haben die Gesundheitspolitiker in Union und SPD so ihre Probleme. Auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist nicht begeistert. Am liebsten sähe man in der Großen Koalition, wenn die Personalvorschläge wieder zurückgezogen würden. Auch innerhalb der Ärzte­schaft gab es Kritik, die bisherige Unparteiische Regina Klakow-Franck, Fachärztin für Gynäkologie, durch den Juristen Lindemann zu ersetzen, der auch schon als Funktionär für die Fachärzte gearbeitet hat.

Für Bundesärztekammerpräsident (BÄK) Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery ist die G-BA-Spitze „ohne ärztlichen Sachverstand nicht vorstellbar“. Das sieht man im BMG ähnlich. Laut einem Schreiben von Staatssekretär Lutz Stroppe, über das das Ärzteblatt berichtet, stört sich das Ministerium formal am Vorschlag für den zweiten Stellvertreter auf ärztlicher Seite. Der ehemalige KV-Chef von Brandenburg, Hans-Joachim Helming, soll neben dem Juristen Udo Degener-Hencke ehrenamtlicher Stellvertreter für Lindemann, ebenfalls Jurist, werden. „Auf Grundlage dieser weiteren Informationen weise ich darauf hin, dass aus Sicht des BMG in Hinblick auf Herrn Dr. Hans-Joachim Helming die nachfolgend aufgeführten rechtlichen Bedenken gegen eine Berufung als Unparteiischer bestehen“, schreibt Stroppe an die Parlamentarier. Über Helming könnte man das gesamte Personaltableau zum Einsturz bringen.

Kritisiert wird vor allem die Beschäftigung von Helming als Geschäftsführer und Gesamtprojektleiter der IGiB-Stimmt gGmbH, ein Projekt der AOK Nordost, der Barmer und der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Das Projekt wird auch mit Geldern aus dem Innovationsfonds gefördert und erhält zusätzlich Gelder aus dem Struktur­fonds, der im Krankenhausstrukturgesetz aufgelegt wurde. Laut Gesetz müssen unpar­tei­ische Mitglieder aber eine Karenzzeit von einem Jahr einhalten, in der sie nicht für eine der Trägerorganisationen arbeiten – ein Grund, warum die Personalsuche für die unparteiischen Mitglieder im G-BA kompliziert ist.

Die G-BA Personalie verspricht noch einmal Spannung. Schließlich ist der G-BA für den Leistungskatalog der Krankenkassen zuständig. Da geht es um Milliarden Euro, um Einfluss und Macht.

Auch auf anderen Gebieten hat die Große Koalition noch offene Posten: So muss noch geklärt werden, ob Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern zu zählen sind und Flüchtlinge dorthin zurückgeschickt werden sollen. Ein Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für ein Recht auf befristete Teilzeit und Rückkehr in einen Vollzeitjob ist gescheitert. Zu den Akten gelegt wurde das Thema Begrenzung von Managergehältern auf maximal 500.000 Euro im Jahr.

Dem Bundestag liegen noch drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor. Die Koalition ist gespalten und verhindert eine Abstimmung, indem sie im Rechtsausschuss das Thema stets vertagt. Die SPD will im Wahlkampf dafür werben. Die Grünen wollen per Bundesverfassungsgericht eine Abstimmung erzwingen.

Das Kabinett hat zwar das geplante Tabakwerbeverbot bereits vor mehr als einem Jahr verabschiedet. Danach soll Zigarettenwerbung auf Plakaten und im Kino von Juli 2020 an verboten werden. Doch der Gesetzentwurf hängt im parlamentarischen Verfahren – nach einer Blockade der Unionsfraktion. Hauptargument: Werbung für ein legales Produkt zu verbieten, sei ein „ziemlicher Eingriff“. Befürchtet wird, dass Werbeverbote für andere Produkte folgen.

Noch vor der Sommerpause des Bundestages will die Koalition die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass verschlüsselte Kommunikation von Messengerdiensten wie WhatsApp zur Bekämpfung schwerer Kriminalität mitgelesen werden kann. Die Ausbildung zur Krankenpflege soll abgeschafft und durch eine „generalistische“ Pflegeausbildung ersetzt werden. Für diese Reform bestehen durchaus noch Chancen.

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