PUMA-Zulassung

Slenyto: Immerhin geringer Zusatznutzen

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Berlin -

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sieht im Kinderarzneimittel Slenyto (Melatonin, Infectopharm) einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte im April gar keinen Zusatznutzen gesehen.

Slenyto ist seit Oktober zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störung und Smith-Magenis-Syndrom zugelassen. Das Arzneimittel ist als retardierte Melatonin-Minitablette in den Stärken 1 mg und 5 mg auf dem Markt. Die Tabletten haben einen Durchmesser von drei Millimeter und sind geschmacks- und geruchsneutral.

Hersteller und GKV-Spitzenverband müssen nun über den Erstattungsbetrag verhandeln. „Der positive Ausgang der Nutzenbewertung von Slenyto ist sehr erfreulich“, kommentiert Dr. Markus Rudolph, Geschäftsführer von Infectopharm, die Entscheidung des G-BA. Mit Slenyto könne man einem bislang eine Therapielücke in der Behandlung chronischer Schlafstörungen bei autistischen Kindern und Jugendlichen wirksam begegnen. Nun könne der bereits in Leitlinien empfohlene Wirkstoff in einer kindgerechten Darreichungsform zu Lasten der Kassen verordnet werden.

Trotz des Erfolgs bei Slenyto sind PUMA-Zulassungen immer wieder ein heikles Thema: PUMA steht für Pediatric Use Marketing Authorisation. Es handelt sich dabei um eine relativ neue Form der Zulassung für Arzneimittel. Sie wird für Arzneimittel erteilt, die bereits eine Zulassung für die Anwendung bei Erwachsenen haben und für die eine weitere Zulassung ausschließlich für Behandlung von Kindern beantragt wird. Obwohl es sich also nicht um ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff handelt, sondern um eine Weiterentwicklung, ist eine PUMA-Zulassung faktisch eine Neuzulassung und muss das Verfahren der frühen Nutzenbewertung durchlaufen.

Erst im November hatte der G-BA beispielsweise dem pädiatrischen Präparat Alkindi (Hydrocortison, Diurnal) keinen Zusatznutzen bescheinigt. Auch die Aussprechung des Zusatznutzens für Slentyo war steinig: Anfang des Jahres hatte das IQWiG keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen gesehen. Für Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), war die Nutzenbewertung von Slenyto des IQWiG „ein weiterer Rückschlag für die PUMA-Regelung“.

Bei der Bewertung wurde als zweckmäßige Vergleichstherapie Best Supportive Care (BSC) festgelegt, eine bestmögliche, patientenindividuell optimierte, unterstützende Behandlung, die zur Linderung der Symptome und zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt wird. Im Falle von Slenyto wären laut Nutzenbewertung fortführende psychotherapeutische Maßnahmen geeignet. Und genau hier lag das Problem: Zwar hatte der Hersteller ebenfalls die BSC als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt, sah aber in den Ausführungen diese durch eine Placebo-Kontrolle ausreichend umgesetzt.

Slenyto wurde in einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie sowie einer offenen Folgestudie untersucht. Die Ergebnisse bestätigen dem Arzneimittel sowohl in der Kurz- als auch in der Langzeitanwendung eine Wirksamkeit. In 24 Zentren in der EU und den USA wurden laut Infectopharm Langzeitdaten aus zwei Jahren Anwendungszeit erhoben.

125 Kinder im Alter von zwei bis 17,5 Jahren mit Schlafstörungen und Autismus-Spektrum-Störung oder Smith-Magenis-Syndrom wurden randomisiert – 28,8 Prozent mit komorbider Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und 12,8 Prozent mit komorbider Epilepsie. Therapiert wurde altersunabhängig mit 2 mg Melatonin. Bei nicht ausreichendem Ansprechen konnte die Dosis in Woche 3 von 2 auf 5 mg und in Woche 26 von 2 auf 5 mg oder von 5 auf 10 mg aufdosiert werden.

Bereits kurz nach Einnahme wird ausreichend Melatonin freigesetzt, um die Einschlafzeit zu verkürzen. Die Probanden schliefen nach drei Monaten unter Slenyto im Mittel 39,6 Minuten schneller ein. Zum Vergleich: Unter Placebo war die Einschlafzeit um 12,5 Minuten verkürzt. Der retardierende Filmüberzug sorgt für eine verlängerte Wirkstofffreisetzung über die Nacht und imitiert somit die physiologische Melatonin-Ausschüttung. Positive Ergebnisse gibt es auch in Bezug auf die Gesamtschlafzeit. Diese konnte im Mittel um 57,5 Minuten verlängert werden. Unter Placebo waren es 9,14 Minuten mehr.

Das unkalkulierbare Risiko für den Unternehmer, keinen Zusatznutzen bescheinigt zu bekommen, kann die Entscheidung für eine Weiterentwicklung beeinflussen. Unübersichtliche regulatorische und politische Hürden führten dazu, dass Unternehmer sich oft bereits im Vorfeld gegen die Entwicklung eines dringend benötigten Kinderarzneimittels entscheiden, sagte Dr. Andreas Franken, Geschäftsführer der Initiative Arzneimittel für Kinder (IKAM). „Solche Entscheidungen führen dazu, dass speziell für Kinder entwickelte Arzneimittel unwirtschaftlich werden. Damit könnte Deutschland bei innovativen Kinderarzneimitteln mit PUMA-Charakter in Zukunft leer ausgehen“, fürchtete auch Kroth.

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