BMG-Datenaffäre

„Ob wir weitermachen oder nicht“

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Berlin -

Der Prozess um den vermeintlichen Datendiebstahl im Bundesgesundheitsministerium (BMG) gerät immer mehr ins Stocken. Weil die Ermittlungsbehörden die Akten nicht korrekt geführt haben und sich die Nachlieferung verzögert, wurde heute in der Sache nicht weiter verhandelt. Auch für den nächsten Sitzungstermin wird der leitende Ermittler als Zeuge wieder abbestellt. Das Landgericht Berlin will am 18. Juni zunächst entscheiden, „ob wir weitermachen oder nicht“. Die Verteidigung hatte eine Aussetzung beantragt, der Staatsanwalt ist dagegen.

Das Gericht hat heute zunächst seine Beschlüsse verkündet, dass es die Anträge der Verteidigung ablehnt, den Aktenkoffer und Rechner des leitenden Ermittlers sicherzustellen. Dieser hatte bei einer seiner vorherigen Vernehmungen eingeräumt, auch im laufenden Verfahren noch aus seiner Sicht irrelevante E-Mails gelöscht zu haben. Die Verteidigung hält das für einen unerhörten Vorgang und pocht auf eine vollständige Verfahrensakte. Das Gericht geht aber nicht davon aus, dass hier noch relevantes Material zu finden ist und lehnte die Sicherstellung ab.

Anschließend erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass er eine Aussetzung des Verfahrens ablehne. Durch die jetzt zu den Akten gereichten E-Mails des Ermittlers sei keine wesentliche Veränderung der Sachlage eingetreten. Die Mails hätten auch mit Tat- oder Schuldfragen gar nichts zu tun. Zudem habe es jetzt schon eine längere Verfahrenspause gegeben, die zu Einarbeitung gereicht haben sollte, so der Staatsanwalt.

Professor Dr. Carsten Wegner, Verteidiger des Mitangeklagten Thomas Bellartz, widersprach, zumal noch immer nicht alle versprochenen Daten überhaupt da seien. Vielleicht sei es dem Staatsanwalt egal, dass er den Inhalt von 20 Leitz-Ordnern oder mehr nicht kenne und „sich im vorliegenden Verfahren einfach nur treiben lässt“. Aber nur weil Aktenkenntnis offenbar nicht zum Standard der Staatsanwaltschaft gehöre, müsse dies nicht auch für die Verteidigung gelten. Der Aussetzungsantrag bleibe demnach ausdrücklich aufrecht erhalten.

Zuvor hatte Wegner schon einen Antrag zum „Parkbank-Vorfall“ gestellt. Der leitende Ermittler war nach seiner Aussage während der Ermittlungen von einer Journalistin aufgefordert worden, seinen vorläufigen Bericht auf einer Parkbank liegen zu lassen. Wegner hatte sich dafür interessiert, wie die Pressevertreterin überhaupt wissen konnte, wer die Ermittlungen leitet und entsprechende Informationen beim Landeskriminalamt angefordert.

Doch die Staatsanwaltschaft lehnt es ab, den Vorgesetzten des Ermittlungsleiters zu laden. Der Beweiserhebungsantrag sei formal unzulässig und eine unmittelbare Bedeutung für die zu ermittelnde Schuldfrage nicht hinreichend begründet, so der Staatsanwalt. „Man fragt sich schon, was denn die Staatsanwaltschaft zu befürchten scheint“, konterte Wegner. Er vermutet gezielte Durchstechereien von Informationen aus den Ermittlerkreisen.

Dies ist für die Verteidigung deswegen von Belang, weil die Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts unter anderem mit dem großen öffentlichen Interesse begründet wurde, das womöglich erst durch die Durchstechereien entstanden sei. Der Vorgesetzte des leitenden Ermittlers sei daher auch gegen den Willen der Staatsanwaltschaft als Zeuge zu laden. Nun muss das Gericht darüber entscheiden.

Nach diesen beiden Anträgen ermahnte der Vorsitzende Richter den Rechtsanwalt Wegner, sich doch mit persönlichen Angriffen gegen den Staatsanwalt etwas zurückzunehmen. Doch der Rechtsanwalt zeigte für „Mimosenhaftes wenig Verständnis“, immerhin sei die Anklage das schärfste Schwert des Staates. Da dürfe man ja wohl mal „zurückpusten“.

Zum Schluss der Sitzung wurde noch über eine Anfrage aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) gesprochen. Ein Pressevertreter hatte beim Ministerium mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz gefragt, welche ABDA-Vertreter bei einem Fachgespräch im Jahr 2010 im Bonner Ministerium zugegen waren.

Aus Sicht der Verteidigung ist es zumindest interessant, dass das BMG offenbar bereit ist, diese Informationen zu veröffentlichen, obwohl ausgerechnet dieser Termin Gegenstand des Verfahrens um vermeintlichen Datendiebstahl gewesen war. Der Richter will zum nächsten Termin entscheiden, wie er mit der Anfrage umgeht. Die Verhandlung wird am 18. Juni fortgesetzt – und könnte sich danach weiter in die Länge ziehen: Das Landgericht hat weitere Verhandlungstermine bis Mitte Oktober geblockt.

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