Neue Behandlungsoptionen gegen Alzheimer

NMDA-Rezeptoren: Forscher entschlüsseln Wirkmechanismus

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Berlin -

Für die Behandlung von Alzheimer-Erkrankungen stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Ein möglicher Ansatzpunkt sind die N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren (NMDA): Forschern aus Münster ist es nun gelungen den genauen Wirkmechanismus zu entschlüsseln und eine Selektivität zu ermitteln. Diese Erkenntnisse könnten wichtig für die Entwicklung weiterer medikamentöser Therapieoptionen sein.

Die Anzahl der Demenzerkrankungen hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen und auch in Zukunft wird es zu einem weiteren Anstieg kommen. Da die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind, stellen neue Therapieoptionen ein wichtiges Forschungsgebiet dar. Wissenschaftler der Universität Münster beschäftigten sich daher mit den sogenannten „NMDA-Rezeptoren“: Diese sind zwar schon länger bekannt und mit dem Wirkstoff Memantin ist auch ein Vertreter der Gruppe auf dem Markt – allerdings war der genaue Wirkmechanismus bisher unbekannt.

Die NMDA-Rezeptoren

NMDA-Rezeptoren sind bestimmte Ionenkanäle, die wichtig für zentrale Prozesse des Lernens und Denkens sind. Die Wissenschaftler konnten nun den gemeinsamen Wirkmechanismus von Ifenprodil und weiteren Inhibitoren entschlüsseln. Sie stellten fest, dass die Rezeptoren aus verschiedenen Untereinheiten gebildet werden können – GluN1, GluN2A-D oder GluN3A-B. Ein funktioneller Kanal besteht demnach aus zwei GluN1-Untereinheiten und zwei weiteren GluN2- oder GluN3-Untereinheiten. Alle werden über den Neurotransmitter Glutamat aktiviert. Die Untereinheiten setzen sich wiederrum aus mehreren hunderten bis tausenden von Aminosäuren zusammen – ein vollständiger NMDA-Rezeptor umfasst somit über 4.000 Aminosäuren.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass vor allem die GluN2B-Untereinheit mit der Entstehung verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer verbunden ist. Glutamat führt zu einer verstärkten Aktivierung des Rezeptors, dadurch kommt es wiederrum zu einer erhöhten Calciumkonzentration, welche ein Absterben in den neuronalen Zellen hervorruft.

Selektivität als Chance?

Der Wirkstoff Memantin ist bereits zur Therapie der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz im Handel und zählt zu den NMDA-Rezeptoren mit Einfluss auf den Neurotransmitter Glutamat. Allerdings wirkt die Substanz nicht selektiv nur auf die GluN2B-Untereinheit – dies wiederrum hat zahlreiche Nebenwirkungen zur Folge. Eine Selektivität des Wirkstoffs könnte neue Therapieoptionen mit besserer Verträglichkeit ermöglichen.

Ein solcher selektiver Wirkstoff ist beispielsweise Ifenprodil: Er ist bereits seit 1971 als Mittel gegen Bluthochdruck bekannt. Obwohl die Substanz nur selektiv die Untereinheit GluN2B hemmt, kommt er jedoch nicht für die Alzheimer-Therapie in Frage: Denn Ifenprodil besitzt ebenfalls Wirkungen auf andere Rezeptor-Typen. Die Forscher nahmen die Substanz dennoch zur Hilfe: Sie entwickelten neuartige Moleküle, die sich in ihrer Struktur von Ifenprodil ableiten, aber nur eine Aktivität an den „richtigen“ Rezeptoren zeigen – die 3-Benzazepine. „Sie stellen einen wichtigen Schritt in Richtung der Medikamentenentwicklung auf Basis von hoch selektiven und wirksamen GluN2B-selektiven Inhibitoren dar“, betont Prof. Bernhard Wünsch.

Entschlüsselung des Wirkmechanismus

Durch eine Kooperation der Uni Münster mit der Abteilung für zelluläre Elektrophysiologie und Molekularbiologie des Instituts für Genetik von Herzerkrankungen konnte schließlich der genaue Wirkmechanismus dieser Substanzen ermittelt werden. Um zu klären, wie der Prozess auf molekularer Ebene abläuft, kombinierten die Wissenschaftler Techniken der Medizinischen Chemie, der Elektrophysiologie, der computerbasierten Simulation und der Molekularbiologie.

Vier Jahre dauerte die Ermittlung des gemeinsamen Mechanismus für Ifenprodil und die 3-Benzazepine. Der zentrale Befund: „Die Verbindungen inhibieren den NMDA-Rezeptor, indem sie ihn in seiner geschlossenen Form gefangen halten“, erklärt Prof. Guiscard Seebohm. Die Bindung der Substanzen an den Rezeptor habe zur Folge, dass ein Teil des Rezeptors in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sei. „Dieser Mechanismus wird durch eine Interaktion mit einer einzelnen Aminosäure des Rezeptors erreicht“, sagt Dr. Julian Schreiber, der Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie. Durch die die eingeschränkte Bewegung könne der Rezeptor nicht mehr in seine aktive Form wechseln, solange der Inhibitor mit dem Rezeptor interagiert. Der entschlüsselte Wirkmechanismus ist für mehrere potenzielle Wirkstoffkandidaten identisch, für die Erforschung neuer Behandlungsoptionen ist die Erkenntnis daher ein wesentlicher Schritt nach vorne. In Zukunft könnten daher neue medikamentöse Therapien auf den Markt kommen.

Impfungen als weitere Option gegen Demenz

Neben den medikamentösen Optionen wird in den vergangenen Jahren auch an verschiedenen Impfstoffen gegen Demenz geforscht: Im Oktober hatte das Biotech-Unternehmen Axon Neuroscience neue Ergebnisse der Phase-II-Studie für „AADvac1“ bekanntgegeben, den ersten Impfstoff seiner Klasse, der das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen soll. Anfang diesen Jahres konnte ein weiterer Impfstoff im Tiermodell die mit Alzheimer verbundene Neurodegeneration verhindern. Er soll außerdem gegen bereits bestehende Veränderungen im Gehirn helfen können.

Der getestete Impfstoff soll Antikörper gegen die Verklumpungen von Amyloid- und Tau-Proteinen erzeugen und diese somit verhindern. Tau-Proteine spielen eine wichtige Rolle für die gesunde, normale Funktion eines Gehirns. Alzheimer beginnt, wenn normale Tau-Proteine durch Trunkation pathologisch werden: Struktur und Funktion werden verändert. Die ungesunden Tau-Proteine binden sich aneinander und es entstehen Verklumpungen, die sich im Gehirn ausbreiten und die Krankheit verursachen. Die Verteilung dieser Klumpen zeigt eine starke Korrelation mit klinischen Symptomen bei Patienten.

Bei einer Demenzerkrankung werden nach und nach Nervenzellen im Gehirn zerstört, was zu einem Verlust der geistigen Fähigkeiten führt. Die Ursachen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Das macht eine gezielte Prävention von Demenzerkrankungen besonders schwierig. Einige Faktoren können jedoch das Risiko mindern, an Demenz zu erkranken: Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, niedrige Cholesterinspiegel und ein gut eingestellter Blutdruck sind Faktoren, die selbst beeinflusst werden können und eine gute Basis liefern, nicht an Demenz zu erkranken. Ein ganz natürlicher Vorgang ist hingegen die Abnahme der Fähigkeit zur Bildung neuer Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen mit zunehmendem Alter.

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