Versandapotheken

Komplott gegen die Preisbindung

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Berlin -

Die deutschen Versandapotheken planen einen gemeinsamen Angriff auf die Preisbindung. Weil sie sich nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni im Nachteil gegenüber ausländischen Versendern sehen, wollen sie Fakten schaffen. Einer von ihnen – voraussichtlich Aponeo – soll unzulässigerweise Rx-Boni anbieten und sich von den anderen verklagen lassen. Das Stichwort lautet Inländerdiskriminierung. Doch der Weg zum Bundesverfassungsgericht ist ein steiniger, warnt ein Experte.

Gestern haben die Vertreter die größten deutschen Versandapotheken Kriegsrat abgehalten. Bei der Tagung des Bundesverbands deutscher Versandapotheken (BVDVA) besprochen, wie mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umzugehen sei. Der Verband kann sich zwar politisch dafür einsetzen, dass die Preisbindung aufgehoben wird, vor Gericht ziehen müssen die Mitglieder aber allein. Eine Prozesskostenübernahme ist dem BVDVA nicht möglich.

Deshalb wollen sich die Versender jetzt untereinander absprechen und sich etwaige Verfahrenskosten teilen. Aponeo hat bereits angekündigt, Rx-Boni gewähren zu wollen. „Wir wollen auf jeden Fall aktiv werden, wir können nicht auf den Gesetzgeber warten“, sagt Hartmut Deiwick, kaufmännischer Leiter bei Aponeo.

Die genaue Höhe des Aponeo-Bonus steht Deiwick zufolge noch nicht fest. Offen ist nach seiner Aussage auch, ob weitere Versender Boni gewähren werden. Apotal wäre auch ein Kandidat, da traditionell stärker im Rx-Geschäft als der Durchschnitt. Flächendeckend wird es Rx-Boni bei deutschen Versandapotheken aber wohl nicht geben. Die Versandapotheken wollen das Ganze auch nicht als Aktion gegen die Vor-Ort-Apotheke verstanden wissen. „Wir treiben keinen Teil dazwischen“, sagt Deiwick. Es gehe darum, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu den ausländischen Versandapotheken zu schaffen.

Zwar dümpelt das Rx-Geschäft bei den meisten deutschen Versandapotheken seit Jahren nur vor sich hin, trotzdem spüren sie die erhöhten Werbeaktivitäten der Holland-Versender zu ihren Rx-Boni schon. Die Kunden fragen danach. Aponeo & Co. können dann nur mit OTC-Gutscheinen kontern. Deshalb sollen die Gerichte für gleiche Bedingungen sorgen.

Das Ansinnen gab es fast genauso vor knapp zehn Jahren schon einmal. Damals wollte die Deutsche Internet Apotheke (DIA) sich gegen das Bonussystem von DocMorris wehren. Das Inhaberehepaar Heift gewährte auf zwei Präparate ebenfalls Boni und ließ sich von der Wettbewerbszentrale abmahnen und verklagen.

Kurz vor der mündlichen Verhandlung kontaktierte ABDA-Chefjurist Lutz Tisch die Heifts und bat um ein persönliches Gespräch. Man traf sich am Rande des Deutschen Apothekertags (DAT) 2007 in Düsseldorf. Tisch legte den Apothekern nahe, das Verfahren nicht weiter zu betreiben – der Prozess sei nicht gut für das Image der deutschen Apotheker. DIA wollte die Sache aber lieber klären lassen, verlor im November 2007 jedoch vor dem Landgericht Köln. Bis vor das Bundesverfassungsgericht ging dieses Verfahren nicht.

Ob die Versender jetzt nach Karlsruhe kommen, ist allerdings auch alles andere als sicher: Dr. Cord Willhöft von der Kanzlei Fieldfisher aus München erinnert daran, dass eine Inländerdiskriminierung weder europarechtlich noch nach dem deutschen Grundgesetz unzulässig ist. Zudem sei fraglich, ob sich Art. 3 des Grundgesetzes überhaupt anwenden lasse. Denn dieser regele Sachverhalte innerhalb der Bundesrepublik. Insgesamt seien die Zugangshürden zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sehr hoch.

Diskutiert wird auch darüber, dass das BVerfG sich noch einmal mit dem EuGH-Urteil befassen könnte. Dazu müsste das Vorlageverfahren über das OLG Düsseldorf und den Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe gelangen. Es ging im Grunde um die Frage, ob der EuGH mit der Boni-Entscheidung seine Kompetenzen überschritten hat.

Rechtsanwalt Willhöft stellt klar: „Das Bundesverfassungsgericht kann ein EuGH-Urteil nicht außer Kraft setzen. Es könnte aber feststellen, dass das Subsidiaritätsprinzip verletzt ist, weil die Ausgestaltung der Sozialversicherungssystem – inklusive Preisrecht – in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt nach Art. 168 (7) AEUV.“ Die Grundziele dieses EU-Vertrages müssten dann abgeglichen werden mit den Grundzielen deutscher Gesetzgebung. Dieser Weg sei „möglich, allerdings wenig Erfolg versprechend“, so Willhöft.

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